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Angst auf der Autobahn

Angst auf der Autobahn

Titel: Angst auf der Autobahn
Autoren: Stefan Wolf
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Jauche. Ein Schläger, Einbrecher und Raubtäter
— also skrupellos wie ein in die Enge getriebener Berufspolitiker. Im August
vor 15 Jahren überfiel Spelter im Alleingang die
Kleinviehzüchter-Genossenschafts-Bank in Ginsterstedt und schoß auf zwei der
Angestellten, die er lebensgefährlich verletzte. Es lief also einiges schief.
Trotzdem Beute. Dann raus und ins Fluchtauto. Dort saß Mechthild am Steuer,
seine Frau. Sie war ein Jahr älter als er und vor der Eheschließung auf
leichten Erwerb ausgewesen. Also kein Tugendschaf, sondern ein Geschöpf, das
weiß, wie man auf einem Strich auf und ab geht. Flucht! Die Alarmanlagen der
Bank heulten. Und der Zufall wollte es, daß gerade in dem Moment ein junger
Beamter der Kripo dort vorbeifuhr. Er war nicht im Dienst, nahm aber sofort die
Verfolgung auf. Dieser damalige Jungkriminaler ist heute das As im Präsidium
und Vater deines Traummädchens. Ich spreche von Emil Glockner, der wirklich
nicht dafür konnte, was dann geschah. Deshalb ist Spelters Haß menschlich
gesehen sehr ungerecht.“
    „Weiter!“ sagte Tim mit kurzem
Atem.
    „Also eine wilde Verfolgung. Die
Spelters hatten sich das anders gedacht. Sie hatten zunächst mit Vorsprung und
dann mit Straßensperren hinter Ginsterstedt gerechnet und sich tarnend darauf
eingestellt, indem sie ihr dreijähriges Töchterchen dabei hatten. Die kleine
Susanne. Sie lag im Fond, schön zugedeckt. Sie schlief friedlich, war nämlich
betäubt mit Schlaftabletten, wie Spelter später aussagte. Bei einer eventuellen
Straßensperre wollten die Spelters auf Familienidyll machen, was allemal
unverdächtig ist. Denn wer nimmt seine kleine Tochter mit, wenn er zum
Banküberfall losgeht? Hinzu kommt noch, daß sich Mechthild die Haare
hochgesteckt hatte unter einen Herrenhut. Glockner, der über Sprechfunk von dem
doppelten Mordversuch in der Bank informiert wurde, glaubte also, er verfolge zwei
Männer. Es wurde eine dramatische Jagd. Hinter Ginsterstedt auf der Landstraße
nach Großweildunken konnte sich Glockner aus dem Fenster beugen. Er schoß. Ein
Glücks- oder sagen wir lieber: ein Zufallstreffer. Spelters linker Hinterreifen
platzte. Der Wagen raste über die Böschung und stürzte einen Hang hinunter.
Horst Spelter wurde hinausgeschleudert. Der Wagen explodierte beim Aufprall,
ging in Flammen auf. Mutter und Tochter waren tot auf der Stelle. Spelter wurde
zu 15 Jahren verknackt. Und die sind abgelaufen heute früh um acht Uhr und
zwölf Minuten.“
    15 Jahre! dachte Tim.
Tatsächlich länger als ich schon hier rumturne. 15 Jahre im Knast. Geht das
überhaupt? Wieviel besser wird ein Krimineller dadurch? Entweder er zerbricht
und verlebt den Rest in der Freiheit als Scherbenhaufen. Oder er hat
dazugelernt und Haß aufgestaut bis in die Haarspitzen. Jedenfalls war er 15
Jahre weg vom Fenster, und die Mitmenschen hatten Ruhe vor ihm.
    „Hat er Rache geschworen?“
    „Mit fast keinem Wort.“
    „Fast?“
    „Nur im ersten Halbjahr hat er
mal geäußert, Glockner wäre sein liebster Feind.“
    „Weshalb regst du dich dann
auf?“
    „Spelter hat 15 Jahre lang
Zeitung gelesen.“
    „Das bildet. Treibt die
Trübsinnigen zur Verzweiflung und die Gerechten auf die Palme. Außerdem erfährt
man, was in den Kinos läuft. Und die Sonderangebote in den Supermärkten sind
auch nicht ohne.“
    „Spelter hat sich nur für
Berichte, Artikel, Meldungen, Porträts und Hinweise interessiert, die deinen
Wunschschwiegervater betreffen. Jede Zeile über ihn wurde ausgeschnitten,
gesammelt, sozusagen archiviert. Spelter hat Glockners Karriere genau verfolgt,
die Eheschließung mit der hochverehrten Frau Margot und natürlich auch die
Geburt eines Mädchens namens Gaby. Das ist die nunmehr 14jährige Tochter. Zu
deiner Information.“
    „Danke!“ Aber Tim war nicht
nach Grinsen zumute. „Und jetzt ist dieser Typ seit mehreren Stunden auf freiem
Fuß.“
    Dennis nickte.
    „Keine Bewährungsauflagen?“
    „Ihm wurde kein Tag erlassen.
Er hat’s natürlich zigmal versucht. Aber die Knastologen-Seelenklempnerin, ich
meine die Anstaltspsychologin, hat sich dagegen ausgesprochen. Er war ihr nicht
geheuer. Sie hat ein Psychogramm, eine Charakteristik von ihm vorgelegt, die
man Kindern nicht vorlesen sollte, weil sie sonst Alpträume kriegen. Doch auch
15 Jahre gehen mal vorbei, und jetzt gibt es keine Handhabe gegen Spelter.“
    „Was vermutet die
Bewußtseinsforscherin?“
    „Spelter ist völlig
gefühlskalt, kann nur sinngemäß
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