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Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)

Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)

Titel: Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)
Autoren: Wilhelm Ruprecht Frieling
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letzten Quartal des Jahres geht es nur noch darum, möglichst rechtzeitig die ultimativen Geschenke für das Fest der Liebe und Erpressung zu besorgen. Ladengeschäfte entstauben ihre Tannenbäume und hüllen sich in vorweihnachtliche Pracht. Auf die mit Siebenmeilenstiefeln heran stapfende Bescherung verweisen Glitzerkugeln und eiskalte Nächte. Himmlische Chöre erfüllen die Kaufhäuser: »Ihr Kinderlein kommet, wir leuchten Euch den Weg«! Als Weihnachtsmänner getarnte Studenten bringen Bewegung in die Tütenschlepperbrigaden. Die freuen sich, denn das Christkind klopft an die Tür. Keiner behaupte, er lebe im Tal der Ahnungslosen und wisse von nichts. Weihnachten naht so unerbittlich wie das Amen in der Kirche. Hallelujah!
     
    Mit einer »langen Nacht des Shoppings« locken Industrie und Handel auch den letzten Konsumverweigerer aus der Geborgenheit seiner Kate. Bis Mitternacht bleiben dabei die Läden geöffnet. Im Schutz der Dunkelheit stürze ich mutig ins Getümmel und betrete das Fachgeschäft »Schnulli & Tand«. Das Kettenunternehmen taumelt bereits lange vor dem »Heiligen« Abend im Weihnachtsfieber. Höhnisch grinsen mir mechanische Weihnachtsmänner entgegen, die mit fetten Hüften schunkeln und mit Kastratenstimmen singen. Haushohe Plastiktannen flimmern und glimmern. Überall huschen Kunden herum, die hamstern, als treibe sie Knecht Ruprecht mit der Rute. Ziellos trödele ich durch endlose Regalfluchten mit knuffigen Eisbären, Pinguinen, Bambis und anderen Stofftieren. Es gibt glitzernde und gleißende Anhänger, dekorativen Baumschmuck in jeder Farbe (mit und ohne Sprenkel), Tischwäsche, kurz: Krempel, den aufzuzählen ich mir erspare, denn dazu müsste ich ihn mir merken.
     
    Meine Einkäufe zum Fest beginnen traditionell mit dem Erwerb auserlesener Delikatessen. Das hebt den Erinnerungsfaktor an die süßeste Zeit des Jahres. Spekulatius, Printen, Dominosteine und diverse Marzipanbrote wandern vom Regal zur Kasse und stellen sich recht bald in meinem Magen vor. Dabei hat mich der Geiz in dieser Beziehung nicht geil sondern eher fett gemacht: Ich greife immer zu den größten Tüten zum Superjubelschnäppchenpreis und stopfe süchtig und unkontrolliert sämtliche Leckereien in mich hinein. Dazu brumme ich ein altes deutsches Weihnachtslied: »Macht auf das Maul, den Gürtel weit …«
     
    Ein Karton mit rot-weiß gestreiften Zuckerstangen zieht mich magisch an. Gleich schnappe ich mir einen von den Leckerbissen und erinnere mich an selige Kindheitstage: Ich rieche den Zauber der Weihnacht und fühle mich an einen jener verschneiten Abende versetzt, an denen ich Dreikäsehoch mit meinen Geschwistern auf die Bescherung wartete …
     
    »Das können Sie doch nicht essen«, schreckt mich eine Verkäuferin aus meinen Träumen. Ich habe mir die Zuckerstange in den Mund gesteckt und nuckele glücklich daran herum. »Die ist aus Glas!« Bei näherer Betrachtung erkenne ich den Etikettenschwindel. »Eine Zuckerstange aus Glas? Das ist doch unglaublich!« Empört lege ich den Lockstoff zurück und verdrücke mich in den Bauch des Ladens. Ihr Blick klebt mir im Nacken.
     
    In einer Nische gefallen mir lustige Masken und Mützen für Halloween. Daran komme ich nicht vorbei. Es juckt mir in allen Fingern, und ich setze eine schwarzweiße Totenkopffratze auf. Vor einem Spiegel mache ich Faxen und stöhne abgrundtief. »Huaaaaaaah! Huuuuuuaaaaaaaaah!« Fassungslos schaut ein kleiner Junge meiner Vorführung zu. Ich versuche, ihn durch ein paar lustige Bewegungen aufzumuntern. Der Knabe reagiert verstört. Greinend läuft er zu einer Dame in wallendem Herbstlaub und Birkenstocksandalen. Das ist wohl seine Mama.
     
    Giftig funkelt die Frau mich an. In ihren Muttertieraugen spiegelt sich Argwohn. Bin ich soeben zur Bescherung durch den Kamin auf ihr gutes Sofa gerutscht? Mit bösem Blick verschanzt sie sich hinter einem großformatigen Kinderwagen, in dem ein Säugling rudert. Ich versuche, Madame zu beruhigen. Aus einem Warenkorb grabe ich ein glitzerndes Weihnachtsutensil und halte es ihr als Versöhnungsgeste entgegen. Sie stößt einen gellenden Schrei aus, der das Weihnachtsgedudel übertönt. Was hat sie nur? Ich schaue mir mein Friedensangebot näher an. Dumm gelaufen! Versehentlich habe ich einen monströsen Eiszapfen aus geschliffenem Glas gegriffen, der in ihre Richtung sticht. Der wirkt in meinen Händen wie ein Mordinstrument. Die Frau schreit jetzt wie am Spieß. Im Laden entsteht Unruhe. Ich
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