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Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)

Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)

Titel: Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)
Autoren: Wilhelm Ruprecht Frieling
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und hat deshalb seit Jahren einen Mitteilungsdrang, der kaum zu bremsen ist.»
     
    Der Mediziner schließt die Tür des Wartezimmers und führt seinen verdutzten Patienten in sein abgedunkeltes Ordinationszimmer. Einladend weist er auf eine geräumige Couch und ergänzt: »Ich habe ihm gesagt, er kommt ins Treppenhaus, wenn er sich weiter so vorlaut benimmt. Aber Sie bemerken ja selbst, er kann seine Klappe einfach nicht halten! – Nun, dann wollen wir mal mit unserem Tagespensum beginnen …«
     
    Mit seinem weißen Taschentuch tupft sich der Dicke die glänzende Stirn und sinkt auf die Liege.
     

Angriff der Killerkekse
     
    Hand aufs Herz: Wohl jeder nascht für sein Leben gern! Schon im Kindesalter begegnet der eine oder andere dem Zuckerwürfel und gewinnt die mit ihm gelösten Glückshormone als ständige Begleiter auf seinem kulinarischen Lebensweg.
     
    Wen wundert wohl, wenn ein Speiseplan mit Zuckerrand irgendwann auch optisch sichtbar wird. Doch mit dem Bauchumfang hat es eine dehnbare Bewandtnis: Ein paar Kilo Übergewicht zu beklagen, ist schick. Sich von allen Seiten gut gemeinte Ratschläge und Tipps zu holen, wirkt kommunikativ und täuscht Besserung vor. Letztlich aber weder zu laufen, Trimmrad zu fahren, sich einen Hund zuzulegen noch bewusst weniger zu essen, ist die Schattenseite der Geschichte. Diese Seite entspricht zudem recht oft der Wirklichkeit.
     
    Wer Süßes liebt und den Umgang mit dem verführerischen Stoff kennt, mag deshalb nachsichtig urteilen über jene polnische Putzmamsell, die ob ihres rundlichen Äußeren von ihrer Herrschaft »die Kartoffel« geheißen und Opfer ihrer eigenen Gelüste wurde. Denn die Kartoffel, die den Keks fraß, und schließlich vom Keks selbst angegriffen wurde, lebt gemessen an ihren Rundungen seit geraumer Zeit auf dem Zuckerhut. Der Überfluss wirkte bereits erheblich in ihre Formen. Mit Erreichen eines mittleren Alters war sie von Brust zum Po unübersehbar explodiert, als habe die Natur den Menschen in Kugelgestalt neu erschaffen wollen. Klein von Wuchs, fleischige Arme und Beine, ein blendroter Schopf, Feuermale auf Hals und Wange – die Kartoffel verdankt ihren Spitznamen ihrer knubbeligen Statur.
     
    Das barocke Äpfelchen birgt, wie es Wohlgenährten häufig eigen ist, einen herzensguten Kern. Sie entstammt einem Kulturkreis, wo die Frauen mit Strohbesen die Kirchen fegen und sich dabei zugleich bekreuzigen können. Doch wo steht die Zeit schon still? Auch sind die Grenzen zwischen Rückschritt und Moderne, zwischen Arm und Reich seit jeher fließend. Und da seit der Jahrtausendwende die Zlotys den Euro jagen, pendelt auch die Kartoffel dahin, wo konzentrierter Reichtum leuchtet und lockt: in die Millionenstadt Berlin.
     
    Die Stadt, wo Milch und Honig fließen und damit die Taschen aus Nah und Fern füllt, bildet das tägliche Reiseziel zahlloser polnischer Wanderarbeiter. Auch unsere Putzfrau im Kartoffelkleid verlässt aus Erwerbszwang einmal wöchentlich per Dampfross ihre polnische Heimat und reist zum Reinemachen in deutsche Lande. Sie ist fleißig, und sie arbeitet gern. Ihre polnische Witwenrente reicht knapp für die Miete. So muss sie hinzuverdienen, um zu existieren. Das wirtschaftliche Gefälle zwischen West und Ost kommt ihr in diesem Punkt entgegen.
     
    Kartöffelchen scheut vor keinem dunklen Winkel, keiner verstaubten Scheuerleiste, keinem verschmierten Türgriff. Schnaufend schwingt sie Besen, Schrubber, Mopp und schleppt aus allen Poren schwitzend Eimer mit Wischwasser von Raum zu Raum. Konsequent und methodisch bekämpft sie Schmutz und Dreck. In Ermangelung eines Radios singt sie dazu aus voller Brust Lieder ihrer Heimat. Sie schenkt jedem, den sie während ihrer Tätigkeit antrifft, einen Schwall polnischer Worte, denn ihr Mitteilungsdrang korrespondiert mit ihrer Körperfülle. An jeder Blume und jeder Pflanze, die es zu versorgen gilt, erfreut sie sich lautstark. Im Eifer des Gefechts zerspringt zwar hier ein Glas, mal schlägt ein Teller unsanft auf. Das mag passieren. Die Kartoffel jedenfalls ist die Perle, die der große Haushalt braucht, die Fachfrau aus dem Reich derer von Feudel und Quast.
     
    Ihren Spitznamen verdient die Kartoffel täglich neu. Sie wäre keine knubbelige Knolle, hätte sie bei allem Tatendrang jemals ihr körperliches Wohlbefinden vergessen. Für Nachschub ist an allen Ecken und Enden gesorgt. Wie sie daheim mit Besen und Kruzifix zugleich hantiert, so handelt sie durchaus ökonomisch, wenn
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