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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig
Autoren: Anne Golon
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eine glatte Fläche. Arius knurrte.
»Ruhig, Arius, ruhig!« So war es ihr also nicht vergönnt, zu schlafen! Mit einem Male sah Angélique hinter ihren geschlossenen Lidern, aus tief vergrabener Erinnerung auftauchend, die dunklen Hände, die schmutzigen, rauhen Hände der Diebe von Paris, die sich im undurchdringlichen Dunkel der Nacht auf die Fensterscheiben legen und mit dem unsichtbaren Diamanten über sie hinweggleiten, jäh richtete sie sich auf. Ja, das war es. Das Geräusch kam aus der Richtung des Fensters. Die Diebe …! Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie nur noch seine dumpfen, überstürzten Schläge hörte. Arius machte sich los und kläffte von neuem. Sie erwischte ihn wieder und erstickte ihn fast bei dem Versuch, ihn am Bellen zu hindern. Als sie abermals horchte, kam es ihr vor, als sei jemand im Zimmer. Sie hörte das Fenster schlagen. »Sie« waren hereingekommen.
»Wer ist da?« schrie sie, mehr tot als lebendig. Niemand antwortete, aber leise Schritte näherten sich dem Alkoven.
»Meine Perlen!« dachte sie. Sie tastete nach ihnen auf dem Nachttisch und raffte eine Handvoll zusammen. Gleich darauf fiel eine schwere Decke über sie. Kräftige Arme umfassten und lähmten sie, während man versuchte, sie mit einem Strick zu fesseln. Sie wand sich wie ein Aal, schließlich gelang es ihr, sich zu befreien, und als sie zu Atem gekommen war, schrie sie:
»Zu Hilfe! Zu Hil…«
Zwei kräftige Daumen drückten auf ihre Kehle, erstickten ihren Schrei. Sie röchelte. Es war ihr, als zuckten rote Blitze vor ihren Augen. Das hysterische Gekläff des Pinschers kam aus immer weiterer Ferne…
»Ich werde sterben«, dachte sie, »erdrosselt von einem Einbrecher!… Ach, wie unsinnig ist das!…Philippe!…Philippe…!«
Und alles erlosch.
    Als sie wieder zur Besinnung kam, spürte die junge Frau, dass etwas ihren Fingern entglitt und auf die Fliesen rollte.
»Meine Perlen!«
Erschöpft beugte sie sich über den Rand der Matratze, auf der sie lag, und ihr Blick fiel auf die dreifache Halskette. Sie musste sie krampfhaft festgehalten haben, während man sie entführt und an diesen unbekannten Ort gebracht hatte. Mit verstörten Augen sah Angélique sich im Raume um. Sie befand sich in einer Art Zelle, in der die durch ein vergittertes Spitzbogenfenster hereindringende Morgendämmerung gegen das gelbliche Licht einer in einer Nische stehenden Öllampe ankämpfte. Die Einrichtung bestand aus einem rohen Tisch, einem Schemel mit drei Füßen und einem primitiven Bett, das aus einem Holzrahmen und einer Rosshaarmatratze verfertigt war.
»Wo bin ich? In wessen Händen? Was hat man mit mir vor?«
Man hatte ihr die Perlen nicht gestohlen. Ihre Fesseln waren gelöst, doch die Decke lag noch über ihr. Angélique beugte sich hinab, hob die Kette auf und legte sie mechanisch um ihren Hals. Dann besann sie sich eines Besseren, nahm sie wieder ab und schob sie unter das grobe Kissen. Draußen begann eine silberhell klingende Glocke zu läuten. Eine andere antwortete ihr. Angéliques Blick blieb auf einem an der geweißten Wand hängenden kleinen Kreuz aus schwarzem Holz haften, das mit einem Buchsbaumzweig geziert war.
»Ein Kloster! Ich bin in einem Kloster…!«
Durch die Mauern vernahm sie das ferne Echo einer Orgel und Kirchenlieder psalmodierende Stimmen. Was bedeutete das alles? Sie lag eine Weile kraftlos da, wirre Gedanken schossen ihr durch den Kopf, und sie wollte sich einreden, dies sei nur ein wüster Traum, aus dem sie bald erwachen werde. Dann ließen im Flur widerhallende Schritte sie hochfahren. Männerschritte. Ihr Entführer vielleicht? Sie würde volle Aufklärung von ihm fordern. Sie kannte sich aus und fürchtete die Gauner nicht. Notfalls würde sie ihm zu verstehen geben, dass der König der Rotwelschen, Cul-de-Bois, ihr Freund sei. Die Schritte hielten vor der Tür an. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und eine hohe Gestalt wurde im Türrahmen sichtbar. Einen Augenblick lang war Angélique so verblüfft, dass sie ihren Augen nicht traute.
»Philippe!«
Auf alles andere war sie eher gefasst gewesen als auf das Erscheinen ihres Gatten, der in den zwei Monaten, die sie nun schon in Paris war, kein einziges Mal geruht hatte, sie – wenn auch nur aus Höflichkeit – aufzusuchen und sich zu erinnern, dass er eine Frau hatte.
»Philippe!« wiederholte sie. »Ach, Philippe, welch ein Glück! Ihr kommt mir zu Hilfe?«
Aber der eisige Ausdruck seines Gesichts lähmte ihre freudige Erregung. Er stand in
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