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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris
Autoren: A Golon
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»aber ich habe dem Polypen mein Messer in den Bauch gerammt. Das nehmen sie übel.«
    Und sie zeigte ihren blutbefleckten Dolch vor.
     
    Der Zug setzte sich, vergrößert durch alle Kameraden, die sich um diese Stunde in ihrem Lieblingsviertel herumtrieben, erneut in Richtung Tour de Nesle in Bewegung.
    Die Nachricht lief von Mund zu Mund.
    »Calembredaine! Der illustre Haderlump! Verletzt…!«
    Gros-Sac erklärte, was geschehen war.
     
    »Die Marquise der Engel hat auf ihn eingestochen, weil er mit der Polackin herumgemacht hat …«
    »Das ist normal«, erwiderte man.
    »Ich gehe den Großen Matthieu holen«, schlug einer vor und rannte davon.
     
    In der Tour de Nesle legte man Calembredaine auf den Tisch im großen Saal.
    Angélique trat heran, riss ihm die Maske ab und untersuchte die Verletzung. Sie war bestürzt, ihn so regungslos
und blutüberströmt zu sehen, denn sie hatte nicht den Eindruck, allzu fest zugeschlagen zu haben. Außerdem hätte ihn seine Perücke schützen müssen. Aber der Fuß des Krugs war wohl abgeglitten und hatte die Schläfe aufgerissen. Und als Calembredaine gefallen war, hatte er sich noch Brandwunden auf der Stirn zugezogen.
     
    »Macht Wasser heiß«, befahl sie.
    Mehrere Knaben überschlugen sich fast, um ihr zu gehorchen. Man wusste ja, dass heißes Wasser die fixe Idee der Marquise der Engel war, und dies war nicht der richtige Moment, um ihr zu widersprechen. Nicht einmal die Polackin hatte gewagt, ihre Drohungen wahr zu machen. Angélique hatte Calembredaine bewusstlos geschlagen, still und leise, im richtigen Moment hatte sie es getan, wie es sich gehörte … Da gab es kein Vertun. Man bewunderte sie, und niemand bedauerte Calembredaine, denn man wusste ja, dass er einen harten Schädel hatte.
    Da war mit einem Mal draußen ein großes Getöse zu hören. Die Tür öffnete sich, und da stand der Große Matthieu, der Quacksalber vom Pont-Neuf.
    Selbst zu dieser späten Stunde hatte er es sich nicht nehmen lassen, seine berühmte gefältelte Halskrause anzulegen, sich seine Kette aus Backenzähnen umzuhängen und sich von seinen Zimbel- und Trompetenspielern begleiten zu lassen.
    Wie alle Scharlatane stand der Große Matthieu mit einem Fuß in der Gaunerzunft und mit dem anderen in den Vorzimmern der Fürsten. Vor der Zange des Zahnbrechers sind alle Menschen gleich. Und der Schmerz macht den hochmütigsten Herrn ebenso schwach und leichtgläubig wie den wagemutigsten Banditen. Seine schmerzstillende Opium-Medizin, seine wohltätigen Elixiere und Wundersalben
machten den Großen Matthieu zu einem Universalgenie. Auf ihn hatte der Schmutzpoet ein Lied gedichtet, das die Leierkastenmänner an den Straßenecken sangen:
    Und da er einen einzigen Herd
in jeder Krankheit erkennt,
verordnet er für Mensch und Pferd
das gleiche Liniment.
    Er behandelte Dirnen und Spitzbuben, um sich bei ihnen beliebt zu machen und auch aus angeborener Gutherzigkeit, und die Großen aus Ehrgeiz und Gier. Bei den großen Damen, die er vertraulich betätschelte und die er mal als Hoheiten und dann wieder wie Dirnen und lose Mädchen behandelte, hätte er eine glänzende Karriere machen können. Doch er hatte ganz Europa bereist und beschlossen, den Rest seiner Tage auf dem Pont-Neuf zu verbringen, von dem ihn niemand vertreiben würde.
     
    Er betrachtete den immer noch reglos daliegenden Nicolas mit kaum verhohlener Befriedigung.
    »Das ist mal eine Menge Blut. Hast du ihn so zugerichtet?«, wollte er von Angélique wissen.
    Ehe sie antworten konnte, hatte er schon entschlossenen Griffes ihr Kinn gepackt und spähte in ihren Mund.
    »Kein einziger Stummel, den man ziehen könnte«, meinte er verdrossen. »Schauen wir mal tiefer. Bist du schwanger?«
    Und er drückte ihr so kräftig auf den Bauch, dass sie aufschrie.
    »Nein. Das Schatzkästlein ist leer. Schauen wir mal tiefer …«
    Mit einem Satz entzog sich Angélique dieser regelrechten Untersuchung.

    »Eingebildeter Quacksalber«, kreischte sie wütend. »Man hat Euch nicht gerufen, um mich zu begrapschen, sondern damit Ihr Euch um diesen Mann kümmert …«
    »Ho, ho, diese Marquise«, kicherte der Große Matthieu. »Ho, ho … Ho, ho, ho!«
    Sein Gelächter wurde immer lauter, bis es fast die Gewölbe einstürzen ließ und er sich mit beiden Händen den Bauch hielt. Der Große Matthieu war ein rotgesichtiger Hüne, der stets orangefarbene oder pfauenblaue seidene Überröcke trug. Auf seiner Perücke saß ein rundum mit Federn
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