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Angélique - Hochzeit wider Willen

Titel: Angélique - Hochzeit wider Willen
Autoren: A Golon
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besseren Ort gebracht.
    Angesichts des bevorstehenden Ereignisses wäre sie nirgendwo besser aufgehoben gewesen. Joffrey hatte recht gehabt, sie hierherzubringen.
     
    Über eine schmale Wendeltreppe, wie es sie auch in Monteloup gab, stieg sie oft auf den Bergfried, um dort oben die belebende Luft zu atmen. Ihr Blick verlor sich in den fernen Weiten, wo die Adler dahinglitten. Hier hatten sie beide den Eindruck, dass ihre Beziehung vollkommener, unbeschwerter war. Erneut fanden sie Zeit für lange Gespräche, entweder oben auf dem Turm oder abends am Kamin.
     
    Nachdem Dame Isaura sie in Augenschein genommen hatte, stellte sie ihr einige junge Bäuerinnen vor, aus denen sich der »Haushalt« des jungen Herrn zusammensetzen sollte. Denn ganz offensichtlich würde es ein Junge werden. Sie selbst würde sich eine erfahrene Hebamme als Gehilfin verpflichten. Alle kamen und begrüßten Angélique mit dem quer über den Kopf gelegten roten Seidentuch, das zu ihrer Sonntagstracht gehörte.
    In den letzten Wochen lebten die Frauen auf dem Schloss und unterhielten Angélique während der Wartezeit, die ihr lang zu werden begann, mit vielen Gesprächen über die Vergangenheit und Gegenwart dieses Landstrichs, wie sie sie zu hören liebte.
     
    Einst war Aquitanien, das »Land der Wasser«, die schönste und am meisten geschätzte Provinz der Römer gewesen, die ihm diesen Namen wegen seiner Flüsse und der zahlreichen heißen Quellen verliehen. Außerdem war in der ganzen Welt
bekannt, dass unter dem Himmel des Languedoc und Aquitaniens die Frauen ewig schön, ewig jung und ewig anziehend sind. In diesem Zusammenhang kamen sie auf das ungewöhnliche Leben der großen Herzogin Eleonore zu sprechen, die Erbin von Aquitanien und nacheinander Königin von Frankreich und von England gewesen war und mit fast fünfundvierzig Jahren ihr achtes Kind zur Welt gebracht hatte – das zehnte, wenn man die beiden Töchter mitrechnete, die sie dem französischen König Ludwig VII. geschenkt hatte. Außerdem bewies dies, dass ihr zweiter Mann, König Heinrich II. aus der englischen Dynastie der Plantagenets, sie mit ihren fünfundvierzig Jahren immer noch schön und begehrenswert fand, obwohl er selbst zehn Jahre jünger war als sie.
    Erstaunt vernahm Angélique, dass Poitiers Eleonores Lieblingsstadt und die Hauptstadt ihres Herzogtums gewesen war. Ihr dortiger Hof, so berichteten die Chroniken, war ein Ort der Begegnung von Schriftstellern und Poeten gewesen, die sich in den unterschiedlichsten Sprachen ausdrückten, Langue d’oc, Langue d’oïl, Bretonisch, Kastilisch, Baskisch oder Arabisch, wie es hieß. Angélique war verblüfft, denn sie hatte ein ganz anderes Bild von Poitiers. Veränderten denn auch Provinzen und Städte durch die Zeit und ihre Schicksalsschläge ihr Gesicht?
    Poitiers kam ihr vor wie eine Frau, die den Glanz der Liebe, ihre Freunde und die Anbetung ihres Volkes verloren hat und nun verblasst, die Freude an einem glanzvollen Leben verliert und die Ruhe, das Vergessen wählt und nicht mehr als ein gewöhnliches Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Auch Poitiers hatte sich in sich selbst zurückgezogen, in das verborgene, wenn auch inbrünstige Leben seiner Klöster, Kirchen und Schulen.
     
    Doch Eleonores Glanz war niemals verblasst.
    Sie war immer noch wunderschön, scharfsichtig und faszinierend
gewesen, als sie mit achtzig Jahren zu einer ihrer Töchter nach Spanien gereist war, die König Alfonso VIII. von Kastilien geheiratet hatte. Sie wurde von der Sorge umgetrieben, was aus ihrem geliebten Herzogtum Aquitanien werden sollte, wenn sie einmal nicht mehr lebte. Daher wollte sie eine ihrer Enkelinnen als zukünftige Frau für den Sohn des Königs von Frankreich aussuchen, dem sie auf diese Weise ihr Herzogtum hinterlassen wollte. Damals verstand man nicht, warum sie die kleine Blanca wählte, die erst elf Jahre alt war. Den Grund sollte man erst später erkennen.
    Dies war der eine Punkt, an dem die Südfranzosen sie von ihrer Bewunderung ausnahmen.
    Denn dies war dieselbe Blanca von Kastilien, die sich später als Regentin für ihren Sohn Ludwig den IX., den man den »Heiligen« nennen sollte, an die Spitze der religiösen Verfolgung der Albigenser setzte und im Jahre 1244 in Montségur zweihundert Perfecti, Männer und Frauen, auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ, weil sie ihrer Ketzerei nicht abschwören wollten.
    »Man muss das Haupt des Drachen abschlagen!«, hatte Königin Blanca von Kastilien mit der
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