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Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges

Titel: Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
Autoren: Anne Golon
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Umarmung. Sie hatte gerade »ihre« Leute durch die Sümpfe geführt. Stundenlang hatte sie diese erbarmungswürdige Herde hinter sich gespürt. Sie war kein Kind mehr! Fast grob befreite sie sich aus Fantine Loziers Armen.
    »Gib ihnen zu essen«, sagte sie.

    Später sah sie wie in einem Traum, wie ihre Mutter mit Tränen in den Augen ihre Wange streichelte.
    »Mein Kleines, wir haben uns solche Sorgen um Euch gemacht!«
    Auch Pulchérie kam heran, aufgezehrt wie eine Wachskerze, das Gesicht vom Weinen noch stärker gerötet als sonst, und ihr Vater und ihr Großvater …
    Angélique fand diesen Marionettenaufmarsch äußerst lustig. Sie hatte eine große Schale warmen Wein hinuntergestürzt und war völlig betrunken. Wohlige Benommenheit erfüllte sie. Rings um sie herum berichteten die Leute von den Ereignissen dieser tragischen Nacht: dem Überfall auf das Dorf, den ersten in Brand gesteckten Häusern und davon, wie der Dorfschulze aus dem Fenster seines gerade erst errichteten ersten Stocks geworfen worden war, auf den er so stolz war. Außerdem war dieses gottlose Gesindel in die kleine Kirche eingedrungen, wo sie die geweihten Kelche gestohlen und den Pfarrer zusammen mit seiner Magd auf seinem eigenen Altar festgebunden hatten. Sie mussten vom Teufel besessen sein, um auf solche Gedanken zu kommen!
    Vor Angélique wiegte eine alte Frau ihre Enkelin in den Armen, ein großes Mädchen mit vom Weinen verquollenen Zügen.
    »Was haben sie bloß mit ihr gemacht! Was haben sie bloß mit ihr gemacht! Es ist nicht zu glauben...!«, wiederholte die unablässig mit dem Kopf nickende Großmutter immer wieder in einer Mischung aus Bewunderung und Entsetzen.
    Überall war die Rede von zu Boden gerissenen Frauen, mit Knüppeln verdroschenen Männern, geraubten Kühen, mitgenommenen Ziegen. Der Küster hatte seinen Esel am Schwanz festgehalten, während zwei Räuber an dessen Ohren zerrten. Und am lautesten hatte bei diesem ganzen Theater natürlich das arme Tier geschrien!

    Letztendlich war aber doch vielen Leuten die Flucht gelungen. Den einen in die Wälder, den anderen in die Sümpfe, den meisten jedoch ins Schloss. In den Höfen und Sälen gab es genug Platz, um die mit Müh und Not geretteten Tiere unterzubringen. Unglücklicherweise hatte ihre Flucht einige Plünderer in diese Richtung gelockt, und trotz der Muskete des Barons de Sancé hätte das Ganze böse ausgehen können, wenn nicht der alte Guillaume plötzlich einen genialen Einfall gehabt hätte. Indem er sich mit aller Kraft gegen die verrosteten Ketten der Zugbrücke gestemmt hatte, war es ihm gelungen, diese hochzuziehen. Wie grausame, aber ängstliche Wölfe waren die Räuber vor dem kümmerlichen, mit fauligem Wasser gefüllten Graben zurückgewichen.
    Dann hatte man ein seltsames Schauspiel beobachten können: Der alte Guillaume stand dicht neben der Pforte, brüllte Verwünschungen in seiner Sprache und schüttelte die Faust gegen die Dunkelheit, in die sich die zerlumpten Gestalten zurückzogen. Plötzlich war einer der Männer da unten stehen geblieben und hatte ihm geantwortet. Es war ein eigentümlicher Dialog gewesen, durch die vom Feuerschein rot gefärbte Nacht, in dieser germanischen Sprache, die einem über die Wirbelsäule kratzte, dass man erschauerte.
    Man wusste nicht genau, was Guillaume und sein Landsmann einander gesagt haben mochten. Jedenfalls waren die Räuber nicht mehr zurückgekommen, und beim Morgengrauen waren sie auch aus dem Dorf abgezogen. Alle betrachteten Guillaume als einen Helden, und die Menschen ruhten sich in seinem soldatischen Schatten aus.
    Dieser Zwischenfall bewies jedoch, dass die Bande, von der man geglaubt hatte, sie bestünde aus verarmten Bauern und Bettelgesindel aus den Städten, auch Deserteure aus dem Norden zählte.
    Alles war vertreten in diesen Armeen, die die Prinzen rekrutierten,
um sie in den Dienst des Königs zu stellen: Wallonen, Italiener, Flamen, Lothringer, Lütticher, Spanier, Deutsche, eine ganze Welt, die sich die friedlichen Einwohner des Poitou kaum vorstellen konnten. Bald behaupteten manche, unter den Räubern sei sogar ein polnischer Reiter gewesen, einer jener Wilden, die der General Johann von Werth einst in die Picardie geführt hatte, um dort den Kindern an der Mutterbrust die Kehle durchzuschneiden. Man hatte ihn gesehen. Er hatte ein gelbes Gesicht, trug eine Pelzmütze und verfügte zweifellos über eine erstaunliche Manneskraft, denn am Ende des Tages schworen alle Frauen des
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