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Angela Merkel - Ein Irrtum

Angela Merkel - Ein Irrtum

Titel: Angela Merkel - Ein Irrtum
Autoren: Cora Stephan
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später nicht gelesen, jedoch immer noch ein
klares Urteil. Andere hielten es ähnlich, so konnte man sich die mühselige Lektüre von über vierhundert Seiten mit jeder Menge Zahlen, Statistiken, Fußnoten sparen. Hitlers Mein Kampf müsse man doch auch nicht lesen, meinten einige Zeitgenossen, die offenbar per Osmose wussten, wes Geistes Kind der Buchautor war. (Man hätte Hitlers Werk wohl besser rechtzeitig gelesen. Aber das steht auf einem anderen Blatt.)
    Die Kanzlerin stand also an der Spitze der Bewegung und machte vor, wie man den Stab über etwas bricht, das man nicht kennt. Das stellte sich als stilbildend heraus.
    Politiker und Meinungshabende stürzten sich als selbstgewisse Ankläger auf Thilo Sarrazin. Fernsehmoderatoren gerierten sich als heilige Inquisition, die den Mob auf den Häretiker losließ. Viele beteiligten sich an diesem Spiel; steiler konnte eine Vorlage ja gar nicht ausfallen. Das öffentliche Ketzerspektakel entlarvte jedoch am Ende weniger den Angeklagten, sondern offenbarte den geistigen Zuschnitt der Meinungsbesitzer: selbstgerecht und dumm.
    Und so tummelten sich in der Medienöffentlichkeit gefühlsstarke Betroffenheitsdarsteller, die der »Kälte« der Verhältnisse und den blutleeren Sachen und Fakten ihre »Menschlichkeit« entgegenhielten.
    Nichts schienen sie abscheulicher zu finden als die Tatsache, dass Thilo Sarrazin mit Zahlen und Fakten operierte. Gewalt sei das, es reduziere »Menschen zu Zahlen«, weshalb es gelte, »ein Leben« gegen die Statistik zu setzen – Michel Friedman. 8 Renate Künast beschimpfte Thilo Sarrazin als »zahlengläubig«, »gefühlskalt« und »menschlich
schäbig«. Aygül Özkan schließlich, muslimische Ministerin aus Niedersachsen 9 , betonte stolz, dass sie keine Statistiken und keine Analyse brauche, sie kenne ja die Migranten.
    Gewiss. Man gebe die objektive Analyse auf und verlasse sich auf die eigene Erfahrung. Wie viel einfacher wäre dann die Welt! Wenn Realität das ist, was gute Menschen fühlen, vereint sich das ganze Land zu einer kuscheligen Selbsterfahrungsgruppe, und alle haben sich lieb. Zahlen und Daten? Teufelszeug!
    Und so etwas machte Angela Merkel mit, eine Physikerin, die rechnen kann? In einem Land, das auf seine Ingenieurskunst stolz ist?
    Das Publikum machte es jedenfalls nicht mit. 10 Bereits in der ersten Woche erregter Diskussionen zeigte sich, dass »die Menschen draußen im Lande« nicht alle mit im Wärmestrom planschen wollten. Meinungsumfragen ließen erkennen, dass man das Abstrafen Sarrazins nicht als nötige politische Hygiene akzeptierte, sondern für die gewohnheitsmäßige Realitätsverweigerung der politischen Klasse hielt. Und von der hatte man die Nase voll.
    Online-Zeitungen schlossen die Kommentarfunktion schon nach kürzester Frist, weil der Briefkasten überlief. Die Parteizentralen von SPD und CDU wurden von Protestmails und -briefen bestürmt, die das Unerhörte bezeugten: Was sonst immer klappte, funktionierte diesmal nicht. »Die Basis« mochte sich nicht mehr vorschreiben lassen, was sie zu denken hatte.

    Ja, die politische Klasse hatte »ein Problem mit der Meinungsfreiheit« (Frank Schirrmacher). 11 Doch diesmal gelang es ihr nicht, einen politisch Unkorrekten zu isolieren.
    Angela Merkel waren die Thesen Thilo Sarrazins nicht fremd, im Gegenteil. Sie hatte das eine oder andere so oder so ähnlich ebenfalls schon gesagt, in einer ihrer mutigeren Parteitagsreden etwa. Weshalb gab sie Sarrazin nun »zum Abschuss frei«, wie es in der Welt von Politik und Medien heißt? Weshalb beschädigte sie dabei gleich noch, neben der Deutschen Bundesbank, das eigene Amt – und ließ den frischgewählten Bundespräsidenten Christian Wulff wie ihren Erfüllungsgehilfen aussehen?
    Die Mitglieder im Vorstand der Bundesbank werden auf Vorschlag von Bundesregierung und Bundesrat vom Bundespräsidenten bestellt. Darüber hinaus ist die Bundesbank nicht weisungsgebunden und ihr Vorstand eine unabhängige Institution, deren Mitglieder nicht willkürlich ihres Amtes enthoben werden dürfen. 12
    Die Bundeskanzlerin aber ließ verlauten, sie erwarte, dass sich der Vorstand über sein Mitglied Thilo Sarrazin Gedanken mache. Was sollte das heißen? Und wieso empfahl Angela Merkel solches auch noch öffentlich? Verursachte Thilo Sarrazin einen nationalen Notstand, oder wozu diente der Hinweis, dass die Bundesbank ein deutsches »Aushängeschild« sei?
    In das gleiche Horn blies der Bundespräsident. Der
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