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Angela Merkel - Ein Irrtum

Angela Merkel - Ein Irrtum

Titel: Angela Merkel - Ein Irrtum
Autoren: Cora Stephan
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Christian Wulff hat sie den letzten entsorgt und zugleich einen Bundespräsidenten von ihren Gnaden zur Verfügung. Den finanz- und europapolitisch kundigen Horst Köhler kann er nicht ersetzen, der in der EU-Krise fehlt – weil er gestört hat?
    Ja, Macht kann sie, ganz ohne Zweifel. Gerhard Schröder, so heißt es, respektiere Angela Merkel deshalb heutzutage, und der muss es ja wissen. Doch Machtmenschen nehmen stets in Kauf, dass um sie herum die Wüste wächst. Der Verlust an politischer Substanz in der CDU durch den Weggang, das Wegbeißen von Friedrich Merz oder Roland Koch ist beträchtlich. Merkels einziger ernsthafter männlicher Konkurrent, Karl Theodor zu Guttenberg, ist ein Mann der CSU. Ob das reicht, dass sie, die Beratungsresistente, sich vornehmlich mit ihrem Küchenkabinett umgibt?
    Und was ist aus ihrer Partei geworden?
    Die Zeit der Aufbruchstimmung ist lange vorbei. Das war damals, beim CDU-Parteitag mit Stones-Musik und begeisterten »Angie!«-Rufen. 2005 war Angela Merkel im apricotfarbenen Blazer, mit Lady-Di-Frisur und Make-up, das »Pin-up-Girl« der Union, das von der »Erneuerung unseres Vaterlandes« schwärmte, welches für »eine neue Politik« bereit sei. Sie hat ihre Partei aus dem Tiefschlaf geholt, in den sie unter Kanzler Kohl gefallen war. Oder?
    Irrtum. Die Modernität einer Partei misst sich nicht am Musikgeschmack ihrer Wahlkampfstrategen. Und wie reformfähig sie war, hat man gesehen: Immer dann, wenn es
um wichtige Entscheidungen ging, störte entweder die CSU oder einer der CDU-Landesfürsten. Doch auch die Wähler haben Merkel die neuen Töne nicht gedankt: Die CDU hat unter ihrer Führung Millionen von Wählern verloren – bei der Bundestagswahl 1990 gab es noch gut 17 Millionen Stimmen für die CDU, 2005 gut 13 Millionen und 2009 weniger als 12 Millionen. Mit der Mehrheit der Wählerinnen kann die Partei schon lange nicht mehr rechnen.
    Doch nicht nur die Zahl der Wähler ist ein Problem – ein größeres bereitet die Mitgliederbasis der CDU, die nur bedingt das Profil der Bevölkerung repräsentiert. »Männlich, ländlich, über 60« gilt für die CDU noch immer. Die Konservativen fühlen sich in Merkels CDU schon lange nicht mehr aufgehoben und fremdeln mit den familienpolitischen Vorstellungen Ursula von der Leyens oder Kristina Schröders. Da hilft auch eine konservative Gemüter beruhigende Parteitagsdebatte über die umstrittene Präimplantationsdiagnostik nicht.
    Und die heiß umkämpfte »Mitte«, die von der Reformerin Merkel einst angezogen war? Die wählt derzeit lieber Grün, was sich ebenfalls als Irrtum erweisen könnte. Oder sie wählt gar nicht.
    Hat Angela Merkel, DDR-geschult, wie sie ist, die CDU heimlich unterwandert – oder wenigstens ihre »Sozialdemokratisierung« vollendet? Nein. Ja. Vielleicht. Ihr Erfolg liegt darin, die Partei hinter sich fast zum Verschwinden gebracht zu haben.
    Angela Merkels Hoffnung aufs »Durchregieren«, auf die »Politik aus einem Guss« hatte sich mit der Großen Koalition
zerschlagen. Die Kanzlerin übt sich seither zunehmend in suggestiver sozialer Wärme. Die Stimmung im Lande schien der Sicherheit zuzuneigen, nicht der Freiheit. Und CDU wie SPD fiel nur eines ein, um den Wählerschwund aufzuhalten: Wahlgeschenke.
    Was hatte Angela Merkel im Oktober 2003 verkündet: »Wir, das ist die Wahrheit, leben seit Langem vor allem von der Substanz. Der Staat hat sich übernommen. Ein Kurs des Streichens, Kürzens, Sparens ist unverzichtbar.« 4
    Oder im November 2003, auf dem Leipziger Parteitag: »Die Versäumnisse sind hinlänglich bekannt. (…) Die Bürokratie in diesem Land wird eben nicht abgebaut, der Arbeitsmarkt ist eben nicht flexibilisiert. Das Steuersystem ist bis heute nicht vereinfacht, und die Wachstumsbarrieren für die Wirtschaft sind nach wie vor existent.«
    Genauso ist es. Bis heute. Denn auch in der rot-schwarzen Koalition wurde von der Substanz gelebt: Man setzte die Renten herauf, beschloss mehr Kindergeld, hob die Geldsätze für Hartz-IV-Empfänger an, spendierte ein Konjunkturprogramm auf Pump, erklärte sich für Mindestlöhne. Angela Merkel, die einstige Reformerin, immer vorneweg.
    Doch jetzt steht einiges auf der Agenda, nicht zuletzt in der Europapolitik. Da rächt sich, dass Angela Merkel mit dem »Andenpakt« nicht nur ihre Konkurrenten niedergerungen hat, sondern auch jede Menge Fachkunde.
    Die Krise der EU zeigt die Kanzlerin hilflos. Erst sagt sie nein, dann sagt sie, durch die
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