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Ange Pitou, Band 2

Titel: Ange Pitou, Band 2
Autoren: Alexander Dumas
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Kummer.
    Ein Kummer, armes Kind! Mein Gott! welchen Kummer kannst du in deinem Alter haben? Sprich, sprich!
    Nein, mein Vater, nein, später. Sie sagten, Sie haben Eile, Sie können mir nur eine Viertelstunde schenken. Sprechen wir von etwas anderm, als von meinen Tollheiten.
    Nein, Sebastian, ich würde dich unruhig verlassen. Sage mir, woher dieser Kummer rührt.
    Wahrhaftig, ich wage es nicht, mein Vater.
    Was befürchtest du?
    Ich befürchte, in Ihren Augen für einen Geisterseher zugelten, oder mit Ihnen von Dingen zu reden, die Sie betrüben würden.
    Du betrübst mich noch viel mehr, wenn du dein Geheimnis bewahrst, liebes Kind.
    Sie wissen wohl, daß ich vor Ihnen kein Geheimnis habe.
    So sprich.
    In der That, ich wage es nicht.
    Sebastian, du, der du ein Mann zu sein dir einbildest?
    Gerade deshalb.
    Auf, fasse Mut!
    Wohlan denn, mein Vater, es ist ein Traum!
    Ein Traum, der dich erschreckt?
    Ja und nein; denn wenn ich in diesen Traum mich versenke, bin ich nicht erschrocken, sondern wie in eine andere Welt versetzt. Schon als ein kleines Kind hatte ich solche Visionen. Sie wissen, zwei- oder dreimal habe ich mich in den großen Wäldern verirrt, die das Dorf umgeben, wo ich aufgezogen wurde.
    Ja, man hat es mir gesagt.
    Wohl! ich folgte etwas wie einem Gespenst.
    Du sagst? ... fragte Gilbert, indem er seinen Sohn mit einem Erstaunen anschaute, das dem Schrecken glich.
    Hören Sie, mein Vater, was geschah: Ich spielte wie die andern Kinder im Dorfe, und solange ich im Dorfe war, solange andre Kinder mit mir oder bei mir waren, sah ich nichts; wenn ich mich aber von ihnen trennte, wenn ich die letzten Gärten überschritt, so fühlte ich in meiner Nähe etwas wie das Rauschen eines Kleides; ich streckte die Arme aus, um es zu fassen, und ich umfing nur die Luft. Doch wie sich dieses Rauschen mehr entfernte, wurde das Gespenst sichtbar. Anfangs war es ein Dunst, durchsichtig wie eine Wolke, dann verdichtete sich der Dunst und nahm eine menschliche Form an. Diese Form war die einer Frau, die mehr glitt, als ging, und um so sichtbarer wurde, je mehr sie sich in die dunkelsten Stellen des Waldes vertiefte.
    Dann zog eine unbekannte, fremde, unwiderstehliche Gewaltmich fort auf den Spuren von den Schritten dieser Frau. Ich verfolgte sie mit ausgestreckten Armen, stumm wie sie; denn oft habe ich es versucht, sie anzurufen, und nie konnte meine Stimme einen Ton bilden. Und ich verfolgte sie so, ohne daß sie anhielt, ohne daß ich sie zu erreichen vermochte, bis mir das Wunder, das mir ihre Gegenwart verkündigt hatte, ihren Abgang bezeichnete. Diese Frau verschwand allmählich; das Leibliche wurde Dunst, der Dunst verflüchtigte sich, und alles war vorbei. Und ich fiel, erschöpft von der Anstrengung, an der Stelle nieder, wo sie verschwunden war. Hier fand mich Pitou zuweilen an demselben Tag, zuweilen erst am andern.
    Gilbert schaute den Knaben unablässig mit einer wachsenden Unruhe an. Seine Finger hatten sich auf den Puls von Sebastian gelegt.
    Dieser begriff das Gefühl, das den Doktor bewegte und sprach: Oh! Seien Sie unbesorgt, mein Vater, ich weiß, daß nichts Wirkliches an dem allen ist; ich weiß, daß es eine Vision ist, und nicht mehr.
    Und diese Frau, fragte der Doktor, welches Aussehen hatte sie?
    Oh! ein majestätisches gleich einer Königin.
    Und ihr Gesicht, hast du es bisweilen gesehen, mein Kind?
    Ja.
    Seit wann? fragte der Doktor bebend.
    Erst seitdem ich hier bin, antwortete der junge Mann.
    Aber in Paris hast du ja den Wald von Villers-Cotterets nicht, wo die Bäume ein düsteres, geheimnisvolles grünes Gewölbe bilden? In Paris hast du nicht die Stille, die Einsamkeit, dieses Element der Gespenster?
    Doch, mein Vater, ich habe dies alles hier.
    Wie, hier? Ist dieser Garten nicht den Lehrern vorbehalten?
    Allerdings, mein Vater. Doch zwei- oder dreimal kam es mir vor, als sähe ich diese Frau in den Garten gleiten. Jedesmal wollte ich ihr folgen, immer hielt mich die geschlosseneThüre zurück. Als mich dann eines Tages der Abbé Berardier, der mit meiner Komposition sehr zufrieden war, fragte, was ich wünsche, bat ich ihn, zuweilen im Garten mit ihm spazieren gehen zu dürfen. Er erlaubte es mir. Ich benützte diese Erlaubnis, und hier, hier, mein Vater, ist die Vision wieder erschienen.
    Gilbert schauerte. Eine seltsame Sinnestäuschung, sagte er, jedoch möglich bei einer nervösen Natur, wie die deinige; und du hast ihr Gesicht gesehen?
    Ja, mein Vater.
    Du erinnerst dich
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