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Ange Pitou, Band 2

Titel: Ange Pitou, Band 2
Autoren: Alexander Dumas
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außerordentlicher Unbeugsamkeit angenommen. Seine schönen schwarzen, immer so seelenvollen Augen hatten durch Arbeit und Leiden eine milde Festigkeit angenommen, und dadurch jene Unruhe verloren, die einer von den Reizen der Jugend ist.
    Eine tiefe und zugleich anmutige Falte höhlte am Winkel seiner Lippen jene geheimnisvolle Vertiefung aus, in welche die Physiognomiker den Sitz der Bedachtsamkeit legen. Es schien, als ob bloß die Zeit und ein frühzeitiges Alter Gilbert diese Eigenschaft gegeben hätten, die er von Natur aus nicht besaß.
    Seine breite, wohlgerundete Stirne mit einer leichten Flucht, die seine schönen schwarzen Haare dämmten, verriet zugleich den streng wissenschaftlichen Geist und die Macht der Phantasie. Bei Gilbert, wie bei seinem Lehrer Rousseau, warf das Vorstehen der Augenbrauen einen dichten Schatten auf die Augen, und aus diesem Schatten sprang der leuchtende Punkt hervor, der das geistige Leben offenbarte.
    Trotz seines bescheidenen Anzugs erschien also Gilbert vor den Augen der zukünftigen Verfasserin von Corinna unter einem merkwürdig schönen und ausgezeichneten Anblick, dessen Gesamtwesen sich noch durch seine langen, weißen Hände und durchseine schmalen, an ein feines, muskulöses Bein sich wohl anschließenden Füße vervollständigte.
    Frau von Staël verlor einige Augenblicke damit, daß sie Gilbert prüfend betrachtete.
    Diese Zeit verwendete Gilbert seinerseits zu einem steifen Gruß, der einigermaßen an die bescheidene Höflichkeit der Quäker in Amerika erinnerte, die der Frau, statt des lächelnden Respektes, nur die brüderliche Höflichkeit zugestehen.
    Dann analysierte er mit einem raschen Blick die ganze Person der schon berühmten jungen Frau, deren verständigen und ausdrucksvollen Zügen es durchaus an Reiz gebrach; denn es war eher der Kopf eines unbedeutenden und trivialen jungen Mannes, als ein Frauenkopf auf einem Leibe voll wollüstiger Üppigkeit.
    Sie hielt den Zweig eines Granatbaumes in der Hand, und aß in der Zerstreuung von dessen Blüten.
    Mein Herr, Sie sind der Doktor Gilbert? fragte die Baronin.
    Ja, Madame, der bin ich.
    Noch so jung, haben Sie sich bereits einen sehr großen Ruf erworben; oder sollte vielleicht dieser Ruf Ihrem Vater, oder irgend einem älteren Verwandten von Ihnen gelten?
    Madame, außer mir kenne ich keinen Gilbert, und wenn wirklich, wie Sie sagen, ein wenig Ruf mit meinem Namen verknüpft ist, so habe ich alles Recht, ihn in Anspruch zu nehmen.
    Mein Herr, Sie haben sich des Namens des Marquis von Lafayette bedient, um zu mir zu gelangen, und der Marquis hat uns in der That von Ihrer unerschöpflichen Wissenschaft gesprochen.
    Gilbert verbeugte sich.
    Eine Wissenschaft, die um so merkwürdiger, um so interessanter, fuhr die Baronin fort, als Sie, wie es scheint, kein gewöhnlicher Chemiker, kein Praktiker, wie die andern, sind und alle Geheimnisse der Wissenschaft des Lebens ergründet haben.
    Ich sehe wohl, Madame, erwiderte Gilbert lächelnd, der Herr Marquis von Lafayette wird Ihnen gesagt haben, ich seiein wenig Zauberer; und wenn er Ihnen das gesagt hat, so weiß ich, daß er Geist genug hat, um Ihnen, sobald dies seine Absicht war, auch den Beweis hierfür nicht schuldig zu bleiben.
    In der That, mein Herr, er hat uns von wunderbaren Kuren gesprochen, die Sie, sei es auf dem Schlachtfelde, sei es in den amerikanischen Hospitälern an verzweifelten Subjekten machten; Sie versenkten dieselben, wie uns der General gesagt hat, in einen scheinbaren Tod, der dem wirklichen so ähnlich war, daß dieser selbst sich darin täuschte.
    Dieser scheinbare Tod, Madame, ist das Resultat einer beinahe unbekannten, heute nur den Händen von einigen Eingeweihten anvertrauten Wissenschaft, die am Ende allgemein werden wird.
    Mesmerismus, nicht wahr? fragte Frau von Staël lächelnd.
    Mesmerismus, ja, so ist es.
    Sollten Sie Lektionen bei dem Meister selbst genommen haben ?
    Ach! Madame, Mesmer selbst war nur der Schüler. Der Mesmerismus oder vielmehr der Magnetismus war eine schon den Ägyptern und Griechen bekannte Wissenschaft. Sie verlor sich im Ozean des Mittelalters. Shakespeare errät sie im Macbeth. Urbain Grandier findet sie wieder auf und stirbt dafür, daß er sie aufgefunden hat. Doch der Großmeister, mein Meister, ist der Graf von Cagliostro.
    Dieser Charlatan? rief Frau von Staël.
    Madame! Madame! hüten Sie sich davor, mit den Zeitgenossen zu urteilen, statt mit der Nachwelt. Diesem Charlatan verdanke ich mein Wissen,
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