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Ange Pitou, Band 1

Titel: Ange Pitou, Band 1
Autoren: Alexander Dumas
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diese Rekognoszierung vorgenommen, traf Pitou demgemäß seine Vorkehrungen.
    Das, was er sich am leichtesten verschaffen konnte, insofern es keine Anlage von Kapitalien erforderte, war der Leim und die Leimruten. Die Rinde der Stechpalme, mit einer Mörserkeule zermalmt und im heißen Wasser gewaschen, verschaffte den Leim; die Ruten aber wuchsen zu tausenden auf den Birken der Umgegend. Pitou verfertigte sich, ohne einem Menschen ein Wort davon zu sagen, ein tausend Leimruten und einen Topf Leim erster Qualität, und an einem schönen Morgen, nachdem er tags zuvor auf Rechnung seiner Tante einen vierpfündigen Laib Brot beim Bäcker genommen hatte, ging er in der Dämmerung weg, blieb den ganzen Tag auswärts und kehrte erst bei sinkender Nacht wieder zurück.
    Pitou hatte einen solchen Entschluß nicht gefaßt, ohne die Folgen davon zu berechnen. Er hatte einen Sturm vorhergesehen. Ohne die Weisheit von Sokrates zu besitzen, kannte er doch die Laune seiner Tante Angelique ebensogut, als der berühmte Lehrer von Alcibiades die seiner Frau Xantippe.
    Pitou hatte sich in seiner Vorhersehung nicht getäuscht,doch gedachte er dem Sturme dadurch die Stirne zu bieten, daß er der alten Frömmlerin den Ertrag seines Tagewerkes überreichen würde. Nur hatte er den Platz nicht erraten können, wo ihn der Blitzstrahl treffen würde.
    Der Blitzstrahl traf ihn bei seinem Eintritt.
    Mademoiselle Angelique hatte sich hinter der Thür in den Hinterhalt gelegt, um ihren Neffen beim Vorübergehen nicht zu verfehlen, so daß er in dem Augenblick, wo er den Fuß in die Stube setzte, einen Schlag an das Hinterhaupt erhielt, an dem er, ohne einer andern Belehrung zu bedürfen, vollkommen die dürre Hand der Betschwester erkannte.
    Zum Glück hatte Pitou einen harten Kopf, und obgleich ihn der Schlag kaum erschütterte, gab er sich doch, um seine Tante zu rühren – deren Zorn sich dadurch vermehrte, daß sie sich durch ein maßloses Schlagen an den Fingern sehr wehe gethan – den Anschein, als fiele er stolpernd an das andere Ende der Stube. Sobald er hier angelangt war und seine Tante, ihren Rock in der Hand, auf sich zukommen sah, zog er hastig aus seiner Tasche den Talisman, auf den er gerechnet hatte, um sich Verzeihung für sein Ausbleiben zu verschaffen.
    Das waren zwei Dutzend Vögel, worunter ein Dutzend Rotkehlchen und ein halbes Dutzend Drosseln.
    Mademoiselle Angelique riß ihre Augen ganz erstaunt auf und fuhr der Form wegen fort zu zanken; aber während sie schalt, bemächtigte sich ihre Hand des Jagdertrags ihres Neffen, sie machte drei Schritte gegen die Lampe und fragte:
    Was ist das?
    Sie sehen es wohl, mein gutes Tantchen Angelique erwiderte Pitou, es sind Vögel.
    Gut zum essen? sagte rasch die alte Jungfer, welche in ihrer Eigenschaft als Betschwester natürlich eßgierig war.
    Gut zum essen! wiederholte Pitou, entschuldigen Sie; Rotkehlchen und Drosseln, ich glaube wohl.
    Und wo hast du diese Tiere gestohlen, kleiner Unglücklicher? Ich habe sie nicht gestohlen, ich habe sie gefangen.
    Wie?Am Tränkherd.
    Was ist das, ein Tränkherd?
    Pitou schaute Tante mit erstaunter Miene an; er konnte nicht begreifen, daß es in der Welt eine Person gebe, die in ihrer Erziehung vernachlässigt genug sei, um nicht zu wissen, was der Tränkherd bedeute.
    Der Tränkherd? erwiderte er. Bei Gott! das ist der Tränkherd.
    Ja, kleiner Schlingel, aber ich weiß nicht, was das ist.
    Da Pitou voll Mitleid gegen alle Unwissenheiten war, so antwortete er:
    Der Tränkherd ist eine kleine Lache, es finden sich solche ungefähr dreißig im Wald; man legt Leimruten rings umher, und wenn die Vögel, die das nicht kennen, die Dummköpfe, kommen, um zu trinken, so fangen sie sich.
    Woran?
    Am Leim.
    Ah! ah! sagte die Tante Angelique, ich begreife; doch wer hat dir Geld gegeben?
    Geld? erwiderte Pitou, erstaunt, daß man glauben konnte, er habe je einen Pfennig besessen; niemand.
    Mit was hast du denn den Leim gekauft?
    Ich habe den Leim selbst gemacht.
    Und die Leimruten?
    Auch.
    Diese Vögel kosten dich also nichts?
    Die Mühe, mich zu bücken und sie zu nehmen.
    Und kann man oft an den Tränkherd gehen?
    Man kann alle Tage dahin gehen, nur muß man nicht...
    Was muß man nicht?
    Alle Tage dahin gehen.
    Aus welchem Grunde?
    Weil das ruiniert.
    Was ruiniert das?
    Den Tränkherd. Sie begreifen, Tante Angelique, die Vögel, die man gefangen hat ...Nun?
    Sie sind nicht mehr da.
    Das ist richtig, erwiderte die Tante.
    Zum ersten Mal, seitdem er
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