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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda
Autoren: Michael Crichton
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lange genug in den Lungen aufhalten kann, um in die Blutgefäße einzudringen. Vielleicht ist das die Antwort. Aber kaum war ihm das eingefallen, da schüttelte er auch schon den Kopf.
    Nein. Es mußte etwas anderes sein. Etwas ganz Einfaches. Etwas, das er von Anfang an gewußt, aber nur nicht beachtet hatte.
    Der Andromeda-Organismus greift den Körper über die Lungen an.
    Er tritt in den Blutkreislauf ein.
    Er setzt sich in den Wänden von Arterien und Venen fest, insbesondere im Hirn. Dort richtet er Schaden an.
    Dadurch wird Blutgerinnung hervorgerufen. Sie breitet sich über den ganzen Körper aus, oder es kommt zu Blutungen, zum Wahnsinn, zum Tod.
    Aber um in so kurzer Zeit so schwere Schäden anzurichten, bedarf es vieler Organismen. Millionen und Abermillionen, die sich in Arterien und Venen ansammeln. So viele kann man wahrscheinlich nicht einatmen. Sie müssen sich also im Blutstrom vermehren. Mit einer hohen Rate. Einer geradezu phantastischen Vermehrungsquote.
    Und wenn man übersäuertes Blut hat? Hemmt das die Vermehrung? Vielleicht.
    Wieder schüttelte er den Kopf. Ein Mann mit Azidose, wie Willis oder Jackson, war nur ein Fall. Der Säugling aber war ein ganz anderer Fall.
    Der Säugling war normal. Wenn er rasch atmete, wurde er alkalotisch – bekam Basenüberschuß im Blut und zu wenig Säure – und nicht azidotisch. Bei dem Baby würde das andere Extrem eintreten.
    Hall sah durch die Glasscheibe. Da wachte der Kleine auf. Er begann auf der Stelle zu schreien. Sein Gesichtchen lief purpurrot an, die kleinen Augen verschwanden in Falten, aus dem winzigen, zahnlosen Mündchen mit dem glatten Gaumen kam ein schauerliches Gebrüll. Todesangst.
    Und dann die Vögel mit der hohen Stoffwechselrate, dem raschen Herzschlag, der schnellen Atmung. Die Vögel, bei denen alles schnell ablief. Auch sie waren am Leben geblieben.
    Rasche Atmung? War es wirklich so einfach? Er schüttelte den Kopf. So konnte es nicht sein. Er setzte sich hin und rieb sich die Augen. Sein Kopf schmerzte, er war müde. Aber er mußte an Burton denken, der schon in der nächsten Minute sterben konnte. An Burton, der drüben in seinem hermetisch abgeriegelten Labor saß. Hall empfand die Spannung als unerträglich. Plötzlich überfiel ihn der unwiderstehliche Drang zu fliehen, dem allen zu entrinnen.
    Der Bildschirm flackerte auf. Seine Assistentin erschien und meldete: »Dr. Hall, wir haben Dr. Leavitt ins Krankenrevier gebracht.«
    »Ich komme gleich«, hörte Hall sich sagen.
    Er wußte, wie seltsam er sich benahm. Es gab für ihn keinen Grund, Leavitt aufzusuchen. Leavitt war gut versorgt. Ihm drohte keinerlei Gefahr. Hall wußte, daß er mit diesem Besuch nur eine Ablenkung von den anderen, drängenderen Problemen suchte.
    Mit einem Gefühl des Schuldbewußtseins betrat er das Revier. Seine Assistentin sagte: »Er schläft.«
    »Postiktal«, stellte Hall fest. Nach einem Anfall schlafen die Patienten meistens. »Sollen wir mit Dilantin beginnen?«
    »Nein. Warten Sie noch ab. Vielleicht genügt schon Phenobarbital.«
    Er begann mit einer langsamen, gründlichen Untersuchung des Kranken. Seine Assistentin sah ihn an und sagte: »Sie sind übermüdet.«
    »Ja«, antwortete Hall. »Sonst gehe ich früher zu Bett.« An einem normalen Tag fuhr er um diese Zeit über die Schnellstraße nach Hause. Leavitt auch – zu seiner Familie nach Pacific Palisades. Über die Santa-Monica-Schnellstraße.
    Ganz lebhaft sah er für einen Augenblick die langen, im Schneckentempo dahinkriechenden Autoschlangen vor sich. Und die Schilder am Straßenrand. Mindestgeschwindigkeit 40, Höchstgeschwindigkeit 100 km. Während des Stoßverkehrs kamen ihm diese Schilder immer wie ein grausamer Scherz vor.
    Höchstgeschwindigkeit. Mindestgeschwindigkeit. Maximum und Minimum.
    Langsam fahrende Autos sind gefährlich. Man muß dafür sorgen, daß der Verkehr gleichmäßig fließt, daß zwischen Höchst- und Mindestgeschwindigkeit eine möglichst geringe Spanne liegt, man muß …
    Er hielt inne.
    »Was war ich für ein Idiot!« sagte er.
    Dann setzte er sich an den Computer.
    Wenn Hall Wochen später darauf angesprochen wurde, nannte er dies seine »Autobahn-Diagnose«. Das Prinzip war so einfach, so klar, so selbstverständlich, daß er sich verblüfft fragte, warum denn nicht schon längst einer daraufgekommen war.
    In höchster Erregung gab er dem Computer das Programm wachstum ein. Er mußte es dreimal wiederholen, weil er sich immer wieder
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