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anderbookz Short Story Compilation

anderbookz Short Story Compilation

Titel: anderbookz Short Story Compilation
Autoren: Thomas M. Disch , Doris Egan , Gardner Dozois , Jack Dann , Michael Swanwick , Tanith Lee , Howard Waldrop , Katherine V. Forrest
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berichtigte Michelle.
    »Natürlich - wenn Sie es geschafft haben, wissen Sie, wo Sie uns finden können. Wir sind immer hier, auf dem gleichen Sofa.«
    »Sie sind beide unmöglich«, sagte Barry. »Glauben Sie ehrlich, daß ich Ihnen meine Gutachten verkaufe? Vorausgesetzt ...« - er klopfte dreimal auf die Politur des Walnußkaffeetischchens - »... ich bestehe mein Examen.«
    »Es ist sicherer«, sagte Michelle, »mit einem eingespielten Team zu arbeiten, als sie allein verhökern zu wollen. Obwohl sich niemand daran hält, besteht das Gesetz immer noch. Einzelgänger laufen eher Gefahr, gefaßt zu werden, solange sie kein Arrangement mit den Behörden getroffen haben. Wir haben das. Das ist auch der Grund, warum Sie sich ins eigene Fleisch schneiden, falls Sie uns bei der Kommunikations-Kontrollbehörde anzeigen wollen. Andere Leute haben das schon vor Ihnen versucht, und sie sind dabei hereingefallen.«
    »Außerdem hat auch keiner von ihnen eine Dauerlizenz erhalten«, fügte Jason mit einem drohenden Augenzwinkern hinzu.
    »Das war natürlich Zufall«, sagte Michelle. »Es waren schließlich nur zwei Fälle, und beide Herrschaften waren auch nicht besonders clever. Clevere Leute würden sich kaum so donquichottisch verhalten, oder?« Sie unterstrich ihre Frage mit einem Mona-Lisa-Lächeln. Barry konnte trotz aller Wut und Empörung nicht anders, er lächelte zurück. Jemand, der so ein Wort wie ›donquichottisch‹ in eine normale Unterhaltung einbringen und es auch noch so natürlich wirken lassen konnte, war wohl kein allzu schlechter Mensch.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, versprach er und zog seine Hand aus Jasons Griff. »Ich bin kein Don Quichotte.«
    Aber wie er es sagte, war es nicht aufrichtig gemeint. Es war nicht fair, und er wußte das.

    Barry hielt Wort und ging am nächsten Morgen direkt in die Center Street, um zum dritten Mal sein Examen zu machen. Der Computer verwies ihn an Dr. phil. Marvin Kolodny, Raum 183. Der Titel verwirrte Barry. Diesmal hätte er es mit diesem alten Spießer aufnehmen können, mit dem er es im August zu tun gehabt hatte. Aber mit einem Philosophen? Es kam ihm vor, als hätte er bei jedem Versuch höhere Hürden zu nehmen. Doch seine Sorgen verflüchtigten sich sofort, als er den Prüfungsraum betrat. Marvin Kolodny war ein ziemlich durchschnittlicher, vierundzwanzig Jahre junger Mann. Aber seine Durchschnittlichkeit war nicht vollkommen. Er machte den Eindruck, als hätte er mit ihr zu kämpfen. Aber die meisten Vierundzwanzigjährigen sind mit diesem Problem beschäftigt.
    Es ist beim ersten Mal nie leicht, einem bestimmten Autoritätsträger gegenüberzutreten - einem Zahnarzt, einem Psychiater oder einem Polizisten -, der jünger ist als man selbst. Aber das führt nicht notwendigerweise zu einem Desaster, solange man der Autoritätsperson zu erkennen gibt, daß man ihr die nötige Ehrerbietung entgegenbringen wird. Und Barry beherrschte das ohne jede Mühe.
    »Hallo«, sagte Barry ganz außerordentlich ehrerbietig. »Ich bin Barry Riordan.«
    Marvin Kolodny begrüßte ihn mit einem jungenhaften Grinsen und reichte ihm die Hand. Am rechten Unterarm trug er eine Tätowierung: die amerikanische Flagge. Auf einem Schnörkel, der sich um den Fahnenmast wand, standen folgende Worte:

Alle Macht
dem Volke!
für den Sturz
der Regierung!
Für die
Volksgewalt!

    Auf dem anderen Unterarm trug er eine geköpfte Rose und seinen Namen darunter: Dr. phil. Marvin Kolodny.
    »Stehen Sie dazu?« fragte Barry, der sich über die Tätowierungen wunderte, als sie sich die Hände schüttelten. Es gelang ihm, diese Frage zu stellen, ohne dabei im geringsten die Autorität Marvin Kolodnys in Frage zu stellen.
    »Wenn ich nicht dazu stehen würde«, sagte Marvin Kolodny, »glauben Sie, ich hätte es dann auf meinen Arm tätowieren lassen?«
    »Sicher nicht. Es ist nur so ... ungewöhnlich.«
    »Ich bin eben ein ungewöhnlicher Mensch«, sagte Marvin Kolodny, lehnte sich auf seinem Drehstuhl zurück und nahm eine große Pfeife von dem Ständer auf seinem Schreibtisch.
    Barry deutete mit einem Kopfnicken auf die Tätowierung. »Aber bringt Sie diese Einstellung nicht in Konflikt mit Ihrer Stelle hier? Gehören Sie nicht mit zum Apparat der Regierung?«
    »Nur im Moment. Ich rechne damit, daß wir die Regierung schon morgen umstürzen. Eine erfolgreich durchgeführte Revolution ist nicht möglich, solange sich das Proletariat nicht seiner Unterdrückung bewußt wird. Und dem Proletariat
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