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anderbookz Short Story Compilation

anderbookz Short Story Compilation

Titel: anderbookz Short Story Compilation
Autoren: Thomas M. Disch , Doris Egan , Gardner Dozois , Jack Dann , Michael Swanwick , Tanith Lee , Howard Waldrop , Katherine V. Forrest
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er sie ausgesprochen hatte, erschien sie ihm erbärmlich und belanglos. Kaum besser als ein Witz, den er auswendig gelernt hatte, der genausogut dazu geeignet war, ihm den schlechtesten Notendurchschnitt zu bescheren.
    Marvin Kolodny erkannte sofort den Grund, warum Barry so plötzlich innegehalten hatte. Klar, es war sein Beruf, unausgesprochene Hintergründe zu erkennen und genau zu analysieren. Er lächelte sympathisch und hilfsbereit.
    »Ideen ...«, sagte er langsam und bedächtig, so, als müsse jedes Wort vorher abgewogen werden, bevor man daraus Sätze bilden konnte. »... sind keine ... Dinge, Ideen - die wirklichen Ideen - sind das natürliche, ohne Anstrengung zu erreichende Resultat jeder lebendigen Beziehung. Ideen entstehen, wenn Menschen in kreativer Weise aufeinandertreffen.«
    Barry nickte.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Ihnen einen ernstgemeinten Ratschlag gebe, Barry?«
    »Nein, überhaupt nicht, Dr. Kolodny. Ich wäre Ihnen sogar sehr dankbar dafür.«
    »Auf Ihrem Formblatt G47 haben Sie geschrieben, Sie verbringen viel Zeit im Partyland und ähnliche Kneipen. Ich nehme an, dort haben Sie auch Ihr erstes Gutachten bekommen; aber meinen Sie nicht, daß Sie dort nur Ihre Zeit verschwenden? Diese Kneipen sind doch nur Touristen-Fallen!«
    »Das hab’ ich auch schon bemerkt«, sagte Barry, dem dieser Vorwurf naheging.
    »Da trifft man doch nur Zeitler und Typen, die darauf aus sind, dumme Zeitler auszunehmen. - Natürlich gibt es ein paar wenige Ausnahmen.«
    »Ich weiß, ich weiß. Aber ich weiß nicht, wo ich sonst hingehen soll.«
    »Versuchen Sie es doch einmal hier.« Marvin Kolodny überreichte Barry ein Kärtchen. Darauf stand:

STUFE FÜNF
Eine neue Erfahrung
zwischenmenschlicher Begegnung
5 Barrow Street
New York 10014
(Nur für Mitglieder)

    »Das mach ich ganz bestimmt«, versprach Barry. »Aber wie werde ich Mitglied?«
    »Sie brauchen nur zu sagen, Marvin hätte sie geschickt.«
    Das war auch schon alles - er hatte sein Examen bestanden, mit einer Note, die nur wenige Punkte unter der Grenze zum entscheidenden Achter-Durchschnitt lag, und das war schließlich schon ein großer Erfolg. Aber irgendwie war es auch enttäuschend, denn jetzt hätte er es fast geschafft, nicht mehr auf die Jagd nach Gutachten gehen zu müssen. Aber andererseits hatte er jetzt wieder drei Monate Zeit dazu, und er hatte eine Empfehlung für den Stufe-Fünf-Club. Barry konnte wirklich optimistisch in die Zukunft sehen.
    »Vielen Dank, Dr. Kolodny«, sagte Barry. Er stand zögernd in der Tür. »Wirklich ganz herzlichen Dank.«
    »Das geht schon in Ordnung, Barry. Es ist mein Beruf.«
    »Wissen Sie ... Ich wünschte ... Natürlich, ich weiß, es ist nicht erlaubt, Sie sind der Prüfer, und überhaupt ... Aber ich wünschte, ich würde Sie privat kennenlernen. Ehrlich, Sie sind ein ganz bemerkenswerter Mensch.«
    »Schönen Dank, Barry. Ich verstehe schon, wie es gemeint ist, und ich fühle mich geschmeichelt. Also, dann ...« Er zog die Pfeife aus dem Mund und hob sie hoch, als wollte er salutieren. »Machen Sie es gut. Und fröhliche Weihnachten.«
    Barry verließ den Raum in einer so ausgeglichenen und entspannten Stimmung, daß er erst fünf Häuserblocks von der Center Street entfernt bemerkte, daß er vergessen hatte, seine Lizenz an Schalter 28 verlängern zu lassen. Als er zum Bundes-Kommunikations-Gebäude zurückging, schienen seine Sinne all die alltäglichen Dinge auf den Straßen der Stadt mit übernatürlicher Klarheit und Deutlichkeit aufzunehmen: der Geruch von Sauerkraut aus einer Würstchenbude, der Schimmer der Nachmittagssonne, der sich mit dem Flimmern des Pflasters auf dem Trottoir vermischte, die unterschiedlichen Formen und Farben der Tauben - vielleicht waren es die Tauben, die ihn zu dieser sogenannten Idee am Morgen inspiriert hatten. Aber seine Beobachtung war richtig. Alle Tauben waren gleich groß.
    Er befand sich noch einen Block südlich des Bundes-Kommunikations-Hauses, als er aufblickte und das unter dem Sims angebrachte Motto der Bundes-Kommunikations-Behörde bemerkte. Es lautete:

    SINNVOLL EINGESETZTE FREIHEIT
    IST DER WEG ZU DAUERHAFTEM
    FORTSCHRITT

    Das hört sich so einfach und direkt an. Aber wenn man darüber nachdachte, erschien es doch wieder so komplex und schwerverständlich.

    Die Barrow Street lag mitten in einem der verrufensten Viertel der Stadt. Barry hatte sich darauf vorbereitet (jedenfalls glaubte er das), daß er hier weit weniger Pomp und
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