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anderbookz Short Story Compilation

anderbookz Short Story Compilation

Titel: anderbookz Short Story Compilation
Autoren: Thomas M. Disch , Doris Egan , Gardner Dozois , Jack Dann , Michael Swanwick , Tanith Lee , Howard Waldrop , Katherine V. Forrest
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Segmente in das exponentiell anwachsende Programm, das die Scorpio IV am Ende wieder zum Leben erwecken sollte. Verwirrt und ohne etwas zu verstehen, saß Harper daneben und führte die hin und wieder knapp vorgebrachten Anweisungen aus, wie eine Handlangerin, die der Architektin die Werkzeuge reichte.
    Je mehr Stunden verstrichen und je weiter sich Drake in die Komplexität ihrer Arbeit vertiefte, desto seltener kamen die Anweisungen. Als Harper schließlich gar nichts mehr von ihr hörte, verfiel sie in einen unruhigen, dann aber festen Schlaf.
    Vom bleiernen Gewicht ihres Körpers und dem grellen Licht der Kommandokabine wurde sie wieder geweckt. Tief in den Sessel versunken, kniff sie die brennenden Augen zusammen. Als sie wieder richtig sehen konnte, sagte ihr ein Blick auf das Chronometer, daß es fast Mittag war. Drake arbeitete noch immer, scheinbar unbeeinflußt von der neuerlichen Schwerkraft und Helle; aber ihr Gesicht wirkte abgespannt, gezeichnet von Konzentration und Erschöpfung.
    Besorgt fragte Harper: »Kann ich irgend etwas ...«
    »Ja. Entweder ich setze alle wichtigen Systeme auf einmal in Funktion, oder ich muß wieder ganz von vorne anfangen. Verlaß sofort die Kabine. Komm nicht zurück, es sei denn, ich erbitte deine Hilfe.«
    Als Harper in ihrer Kabine ankam, kochte sie innerlich vor Wut über die Demütigung. Sie zog ihre gewöhnliche Kleidung an und ging zornig hoch zum Aussichtsdeck, wo sie stehend und mit verschränkten Armen die vorbeischwärmenden Kristalle beobachtete. Als ihre Augen vom Anblick der vielen hellen Formen brannten und der Schmerz ihrer verletzten Gefühle keine Linderung fand, ließ sie sich in Drakes Sessel fallen. Sie holte sich den Roman Jane Eyre aus der Schiffsbibliothek und versuchte, sich damit abzulenken.
    Es war bereits spät am Nachmittag, als das leichte Vibrieren unter ihren Füßen zu einem Brummen anwuchs; das Antriebssystem des Schiffs gewann langsam seine volle Kapazität zurück. Unwillig und nur, weil sie es für ihre militärische Pflicht hielt, ging sie die Rampe hinunter und blickte - unbemerkt - zu Drake in die Kommandokabine. Was sie dort sah, ließ sie mit offenem Mund staunen.
    Mit todbleichem Gesicht und klauenhaften, sich nur langsam bewegenden Händen hing Drake über der Konsole. Verschwunden waren ihre Anziehungskraft, ihre Stärke, ihre berauschende Schönheit. Sie sah ausgezehrt und entkräftet aus, als wäre sie um Jahrzehnte gealtert.
    Geschockt platzte Harper heraus: »Drake ...«
    »Geh weg!« Die Worte zischten aus ihrem Mund. »Unser Leben hängt davon ab.«
    Wie betäubt ging Harper zum Aussichtsdeck zurück. Verwirrt und voller Angst, als ihr klar wurde, daß sie ihre eigentliche Mission auf dieser Reise jetzt vielleicht wirklich erfüllen mußte, überflog sie die Status-Monitore.
    Erleichtert stellte sie fest, daß fast alle Systeme nahezu funktionstüchtig waren. Zwar gab es weiterhin keine Kommunikationsmöglichkeiten, aber der Kontakt mit dem Hauptquartier war nicht notwendig, sollte sie wirklich mit der Aufgabe konfrontiert werden, die Scorpio IV aus dem Planetoidengürtel heraus und in Sicherheit zu bringen. Wenn sie die Gefahrenzone erst einmal verlassen hatten, konnte sie einfach ein Signal aussenden, das ihre Position kennzeichnete und gleichzeitig die Rettung einleiten würde.
    Sie tröstete sich mit der Möglichkeit, daß Drakes Zustand - so ernst er auch schien - der Ausdruck völliger Erschöpfung war. Er würde sich umgehend bessern, sobald sie sich von der ungeheuren geistigen und körperlichen Anstrengung, deren es zur Wiedereinsetzung der Scorpio IV bedurfte, erholt hätte. Und da Drakes normaler Tagesablauf vermuten ließ, daß sie zum Regenerieren länger brauchte als die meisten anderen Menschen, konnte es gut sein, daß dieser körperliche Gewaltakt ihr doppelt zu schaffen gemacht hatte.
    Während Harper dasaß und in aller Ruhe über das nachdachte, was sie gerade beobachtet hatte, schärften sich plötzlich ihre Sinne, und sie war hellwach. Langsam erhob sie sich vom Sofa. Später konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, ob ein Geräusch, das das Brummen der Antriebssysteme übertönte, oder aber ihr Unterbewußtsein sie veranlaßt hatte, zur Rampe des Aussichtsdecks zu gehen.
    Drake hatte Harper den Rücken zugekehrt und taumelte an der Korridorwand entlang zu ihrem Quartier. Ihr schwarzgekleideter Körper war vor Anstrengung gekrümmt, und die kraftlose Hand war haltsuchend an die Wand
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