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Analog 5

Analog 5

Titel: Analog 5
Autoren: H. J. Alpers
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Raum.
     
    Federman starrte an die weiße Zimmerdecke, während er sich in seinem Drehstuhl zurücklehnte. „Weißt du, irgend jemand hat mal gesagt, die Definition von Genie sei, daß man im entscheidenden Moment das Offensichtliche erkennen kann.“
    Liz Browning unterbrach ihr ruheloses Aufundabgehen gerade so lange, wie es nötig war, um ihre Tasse Kaffee von der auf dem Schreibtisch zurückgelassenen Zeitung aufzunehmen. Aufgeschlagen war eine Seite mit fettgedruckten Schlagzeilen und Fotos von bewaffneten Menschen.
    „Meinst du etwa, die Antwort liegt auf der Hand, und wir bemerken sie nur nicht? Meinst du, wir sind einfach zu dumm?“
    „Nicht dumm, befangen vielleicht. Wir halten zäh an unseren grundlegenden Auffassungen fest, selbst wenn wir uns damit ins Verderben bringen. So funktionieren menschliche Wesen nun mal.
    Wußtest du zum Beispiel, daß die Europäer jahrelang an dem Glauben festhielten, Tomaten seien giftig? Es gab niemanden, der diese Annahme auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersuchte.
    Wer wird schon eine Annahme in Zweifel ziehen, wenn er nicht einen Widerspruch empfindet, und sei er noch so winzig. Wenn jeder die Voraussetzung, die These akzeptiert, wird diese niemals Thema einer Diskussion. Es muß Tausende, Millionen solcher falschen Thesen geben, von denen niemand Notiz nimmt, weil sie sich einpassen in die gewohnten Schemata.“
    Liz schüttelte den Kopf.
    „Du brauchst diesen Punkt nicht so herauszustellen. Jeder Student ‚wird sicherlich ein über das andere Mal darüber nachgedacht haben.Und ganz sicher sind einige Genies mit dem Ruf ‚Heureka!’ aus der Badewanne gesprungen, um dann jedem zu erzählen, es gäbe eine neue Möglichkeit, die Probleme zu bewältigen.“
    Sie klopfte auf die Zeitung.
    „Aber so einfach ist das eben nicht. Unser Überlebensproblem besteht aus hundert Millionen kleinen, sehr verschiedenen Problemen, von denen jedes so komplex ist wie ein lebendes Wesen. Es gibt keine allumfassende Grundlinie in bezug auf Krieg und Politik, mögen auch Marxisten und andere davon geträumt haben, sie zu finden. Sie machen alles nur viel schlimmer mit ihren vereinfachten Anschuldigungen und ihrer Pseudo-Logik.“
    Federman setzte sich auf und preßte beide Handflächen auf den Schreibtisch. Er blickte Liz ernsthaft an.
    „Wir haben einfach etwas übersehen, etwas sehr Grundlegendes .“
    Er stand abrupt auf, bereute es aber sofort, weil sein Herz zu rasen anfing. Einen Moment lang wurde ihm schwarz vor Augen.
    Behutsam, hauptsächlich, um Liz nicht zu beunruhigen, suchte er sich einen Weg zwischen den Bergen von Büchern und Akten, die auf dem Boden verstreut lagen, und blieb dann stehen, die Schultern gegen den Fensterrahmen gelehnt, bis er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte.
    Frische, kühle, morgendliche Frühlingsluft strömte herein und verdrängte die Reste der abgestandenen Gerüche im Zimmer. Dazwischen mengte sich der süßlich schwere Duft von gemähtem Gras.
    Auf dem Weg zu ihm spielte die Luft leise mit den Ästen von Pappeln und Eichen auf dem Hügel bis hin zu den wogenden Kornfeldern einige Meilen weiter unten im Tal. Eine Reihe schneeweißer kleiner Kumuluswölkchen zogen darüber hin.
    In der Ferne konnte er einen glänzenden Schnellzug sehen, der gerade in den Bahnhof des hiesigen Industriegeländes einfuhr. Es waren Pendler, die sich wie kleine Flecken vom Bahnhof weg bewegten und sich langsam auf die Fabriken verteilten, die dekorativ in die Landschaft mit ihren Hügeln eingepaßt lagen.
    Es war tatsächlich ein wunderschöner Tag.
    Die Vögel zwitscherten. Ein Pärchen flog direkt an seinem Fenster vorbei. Er folgte ihnen mit den Augen und sah, daß sie in dem Skelett aus Stahl, das einmal das neue, einhundert Meter im Durchmesser große Radio-Teleskop hatte werden sollen, ein Nest bauten.
    Plötzlich war ein Grummeln in der Luft. Oberhalb einer Wolkenbank zog eine Formation militärischer Transportflugzeuge ihre Bahn. Das entfernte Donnern ihres Vorbeifluges war schon zur Alltäglichkeit geworden.
    Federman drehte sich vom Fenster weg. Außer an den Stellen, wo ein leuchtender Strahl Tageslicht hinfiel, schien das Zimmer von Dunkelheit erfüllt. Er sprach in die Richtung, in der er seine Freundin und Assistentin vermutete.
    „Mir fiel gerade ein, daß wir vielleicht den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Vielleicht ist es etwas ganz Einfaches – eine andere Kultur mit anderen Sehweisen könnte …“
    „Könnte was, Sam?“ Liz’
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