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Analog 2

Analog 2

Titel: Analog 2
Autoren: H. J. Alpers
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geheimer Freund:
    Mein geheimer Freund ist der Major. Er ist groß, blond, stattlich und sehr traurig. Er zeigt mir wie man schreibt. Niemand außer mir kann ihn sehen, aber mein Vater sagt, jeder hat als Kind einen geheimen Freund. Aber für mich ist der Major wirklich. Ich habe ihn berührt, mit ihm gelacht, habe ihn weinen gesehen. Ich will, daß meine Eltern den Major auch sehen, aber das können sie nicht, auch dann nicht, wenn er neben mir steht. Der Major sagt, darüber soll ich mir keine Gedanken machen. Vor mir liegt die Zukunft, über die könnte ich mir noch genügend den Kopfzerbrechen. Die Gegenwart ist nur ein Augenblick, sagt er. Die Zukunft ist die Ewigkeit.
     
    Am 27. Januar 1955 stand „Worüber ich nachdenke“ auf dem Programm. Mein Vater bei einem weiteren Fischzug.
     
    Paul Nolan:
    Ich denke über viele Dinge nach. 1955 sind viele Dinge schön, aber wie wird das in ein paar Jahren sein? Keiner meiner Freunde macht sich jemals Gedanken darüber, was in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren sein wird. Der Major sagt, ich soll über so etwas nachdenken. Er sagte, es würde nicht schaden, wenn Sie das auch tun würden. Ich meine damit nichts, Mr. Hall. Der Major hat das gesagt.
     
    Tommy-Sue Robertson:
    Ich denke über den Unterschied zwischen Gutsein und Glücklichsein nach und ob es überhaupt einen Unterschied gibt. Und wenn es Unterschiede gibt, sollte das so sein? Seit der Major zu mir gekommen ist, denke ich über vieles nach, worüber ich früher nie nachgedacht habe. Ich glaube ich will Wissenschaftler werden und herausfinden, wie alles funktioniert. Der Major hilft mir bei meinen Aufsätzen, besonders beim Buchstabieren. Er kann sehr schön buchstabieren. So sage ich das. Er sagt, es müßte heißen, er kann sehr gut buchstabieren. Mir ist das egal. Er sagte mir auch, ich solle Ihnen sagen, das Thema müßte lauten „Probleme, über die ich nachdenke“ und nicht „ Worüber ich nachdenke“.
     
    Willy Stienmetz:
    Ich denke über Major nach. Ich weiß nicht viel über ihn, aber er weiß alles über mich. Wenn er mir bei den Hausaufgaben hilft, scheint ihm das ungeheuer wichtig, aber mir scheint es überhaupt nicht so wichtig. Aber er bringt mich dazu, zu lernen. Es gibt schreckliche Dinge. Gestern hat er mich mit ins Kino genommen. Der Film hatte einen komischen Namen und der Major ist nicht da, damit ich ihn richtig buchstabieren kann, geben Sie mir also bitte keine schlechte Note, wenn er falsch geschrieben ist. Er hieß Appocolips Now. Der Film hat mir Angst gemacht. Ich weiß nicht, was es für eine Geschichte war, aber ich denke oft darüber nach.
     
    Aber was, fragte ich mich, soll das nun? Der erwähnte Film war erst 1980 in den Kinos gezeigt worden. Ich schüttelte den Kopf und las weiter:
     
    Randy Deever:
    Ich denke über den geheimen Freund nach, den ich hatte. Ich sehe ihn jetzt nicht mehr. Jedesmal, wenn er sich vorher mit mir getroffen hatte, hat er geweint. Er sagte, ich sollte ihn nie vergessen und alles tun, was er verlangt hat. Ich soll Soldat werden. Er sagt, ich kann auch malen, aber ich muß Soldat werden. Er sagt, wenn die Zeit gekommen ist, werde ich wissen warum. Er sagt, wenn ich älter bin, wird er wieder zu mir kommen. Das ist sein Bild.
     
    Ich betrachtete das Bild. Für einen Sechstkläßler war es eine gute Zeichnung. Dann wandte ich mich Mary Anderson zu.
     
    Mary Anderson:
    Ich denke über all das nach, worüber ich gerne schreiben würde. Es gibt so viele Geschichten und so viele Dinge, die man mit Geschichten versuchen kann. Ich glaube, was mir der Major erzählt, würde ich gerne in meinen Geschichten verwenden. Er liebt seinen Vater sehr, aber das sagte er ihm niemals. Er erzählt etwas von einem schrecklichen Krieg, der nicht stattfinden muß. Major sagt, es gibt Lektionen, die die Leute lernen müssen, um den Krieg zu vermeiden. Er sagt, Geschichten können den Leuten helfen, solche Sachen besser zu verstehen.
     
    Kopfschüttelnd legte ich die Ordner auf den Schreibtisch. Was auch immer der Major versucht hatte, den Krieg hatte er nicht verhindern können. Ich lachte, als ich daran dachte. Ich war in Vietnam nicht bei einer kämpfenden Einheit gewesen, aber der Vietnamkrieg hatte stattgefunden. Und nach Jahrzehnten des Kampfes gegen Japaner, Franzosen und Amerikaner hatte Vietnam in dem kurzen Augenblick des Friedens tief Atem geholt, um dann, als ersten außenpolitischen Akt, die Invasion Kambodschas durchzuführen. Dann marschierte China in
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