Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Analog 1

Analog 1

Titel: Analog 1
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
in phantastischen Formen. Ausbuchtungen, Eisspalten und Höhlen schimmerten bläulich.
    „Es tut mir leid“, flüsterte Jean Broberg. „Es ist einfach zu schön, unglaublich schön und … fast so wie der Ort, an den uns unser Theaterstück geführt hat. Es hat uns überrascht …“
    „Na!“ unterbrach sie Mark Danzig. „Ihr hattet bereits eine recht gute Vorstellung von dem, was euch hier erwartet. Euer Spiel ist darauf ausgerichtet, daß sich Ähnlichkeiten ergeben. Erzähl mir nur nichts anderes. Ich kenne eure Spielchen schon seit acht Jahren.“
    Colin Scobie gestikulierte wütend. Umdrehung und Anziehung waren zu schwach, um sich bemerkbar auswirken zu können. Seine heftige Bewegung ließ ihn durch die Luft fliegen, quer durch die vollbesetzte Kabine. Er hielt sich an einem Griff fest und kam kurz vor dem Chemiker zur Ruhe. „Du nennst Joan eine Lügnerin?“ brummte er.
    Die meiste Zeit war er auf eine gutmütige Art fröhlich gelaunt. Vielleicht wirkte er deshalb plötzlich so bedrohlich. Er war ein großer, aschblonder Mann Mitte Dreißig. Sein Overall konnte die darunterliegenden Muskelpakete nicht verbergen, und die Wut auf seinem Gesicht hob seine eckige Gestalt hervor.
    „Bitte!“ rief Broberg. „Nur keinen Streit, Colin.“
    Der Geologe blickte sich nach ihr um. Sie war schlank und hatte eine gute Figur. Sie war zweiundvierzig, aber trotz Langleb-Behandlung zeigten sich in dem rotbraunen Haar, das auf ihre Schultern fiel, weiße Strähnen, und um ihre grauen Augen machten sich bereits Fältchen bemerkbar.
    „Mark hat recht“, seufzte sie. „Wir sind hier, um wissenschaftlich zu arbeiten und nicht, um in den Tag hineinzuträumen.“ Sie griff nach dem Arm von Scobie und lächelte scheu. „Du steckst immer noch in der Rolle von Kendrick, nicht wahr? Galant und beschützend …“ Sie brach ab. Es war nicht zu überhören, daß sie im Tonfall von Ricia sprach. Sie biß sich auf die Lippen und errötete wieder. Eine Träne löste sich und schwebte in einem Luftzug glitzernd davon. Sie zwang sich zu einem Lachen. „Aber ich bin nur die Physikerin Broberg, die Frau des Astronomen Tom und die Mutter von Johnnie und Billy.“
    Sie blickte hinüber zum Saturn, als suchte sie das Schiff, auf dem ihre Familie wartete. Vielleicht hätte sie es auch ausmachen können – als Stern, der sich zwischen den anderen Sternen mit Hilfe seines Sonnenwindsegels vorwärtsbewegte. Aber das Segel war jetzt eingeholt, und mit bloßem Auge konnte man selbst einen so riesigen Rumpf, wie ihn die Chronos besaß, nicht ausmachen – über die Millionen von Kilometern hinweg.
    Luis Garcilaso fragte von seinem Pilotensitz: „Was wäre schon dabei, wenn wir mit unserer kleinen Commedia dell’arte fortfahren würden?“ Sein gedehnter Arizona-Akzent beruhigte das Ohr. „Es wird noch eine Weile dauern, bis wir landen, und bis dahin läuft alles automatisch.“ Er war klein, hatte eine dunkle Hautfarbe, war außergewöhnlich geschickt und immer noch in den Zwanzigern.
    Danzig legte die ledrige Haut seiner Stirn in Falten. Mit seinen sechzig Jahren hatte er, dank seines geregelten Lebenswandels und der Langleb-Behandlungen, seinem schlanken Körper jugendliche Frische bewahrt. Er konnte sich Scherze über Fältchen und Haarausfall leisten. Aber zu dieser Stunde legte er seinen Humor beiseite.
    „Heißt das, du weißt immer noch nicht, was los ist?“ Mit seiner schnabelartigen Nase deutete er gegen den Rasterschirm, der die Mondlandschaft vergrößerte. „Du lieber Himmel! Wir werden mit einer neuen Welt in Berührung kommen – zwar klein, aber eine Welt, die uns in mancher Hinsicht fremd sein wird. Nichts war vor uns hier, bis auf einen unbemannten Satelliten und eine unbemannte Sonde, die aber kurze Zeit später keine Funksprüche mehr durchgab. Wir können uns auf unsere Meßinstrumente und Kameras allein nicht verlassen. Wir müssen unsere Augen und unser Gehirn gebrauchen.“
    Er wandte sich Scobie zu. „Du müßtest es in deinen Knochen spüren, Colin, wenn es auch sonst keiner hier an Bord tut. Du hast sowohl auf Luna als auch auf der Erde gearbeitet. Trotz aller Vorkehrungen, trotz aller gründlichen Voruntersuchungen – bist du niemals auf häßliche Überraschungen gestoßen?“
    Der klotzige Mann hatte seine Wut gezügelt. In seiner Stimme lag nun ein Ton, der an die Ruhe der Berge von Idaho erinnerte, aus denen er stammte. „Stimmt“, gab er zu. „So etwas wie zu viele Informationen gibt es gar nicht,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher