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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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klimatische Wahrscheinlichkeit Regen, konnte eine ganze
Ernte vernichtet werden.
    Die frisch gepflückten Kirschen wurden in langen
Bahnen in den Innenhöfen der Fazendas zum Trocknen ausgelegt und von den
Sklaven regelmäßig mit großen Rechen gewendet, sodass jede Kirsche ihren Anteil
an Sonne bekam. Diese Periode der Kaffeegewinnung war die heikelste. Wurden die
Kirschen zu lang getrocknet, verloren die darin verborgenen Kaffeebohnen ihr
Aroma. Setzte man sie der Sonne zu kurz aus oder fiel Regen auf die säuberlich
aufgeschichteten Bahnen der schon beinahe fertig getrockneten Kirschen,
verfaulten die Bohnen in ihrem Innern.
    Doch auch nach dem Trocknen, wenn die Früchte
von der pulpa, der roten Schale und dem Fruchtfleisch, befreit waren und
der Doppelkern – die zwei Bohnen, die jede Kaffeekirsche enthielt daraus gelöst
war, konnte das kostbare Gut noch Schaden nehmen. Eine einzige »Stinkebohne« in
einem Sack Kaffee machte alle anderen Bohnen dieses Sacks ungenießbar. Die
Sortierung der Bohnen wurde daher ausschließlich von Sklaven vorgenommen, die
genügend Erfahrung besaßen, solche Stinkebohnen ausfindig zu machen. Meist
handelte es sich um Bohnen aus Kirschen, die überreif geerntet worden waren,
und man erkannte sie an ihrer verschrumpelten Form und ihrer schwärzlichen
Farbe.
    Pedro da Silva wusste über all diese Dinge
genauestens Bescheid, und er war in der Lage, auf einen Blick die Qualität
einer Kaffeelieferung zu beurteilen. Für den comissionista Fernando
Ferreira war Pedro ein Glücksgriff gewesen. Anfangs hatte er den Vorschlag von
Eduardo da Silva, dessen Sohn bei sich in die Lehre zu nehmen, für einen
schlechten Scherz gehalten. 'Was sollte er mit dem verwöhnten Sohn eines
reichen Fazendeiros anfangen? Er würde mit seinen gestelzten Manieren und
seiner vornehmen Kleidung doch nur Missgunst unter den anderen Angestellten schüren.
Und würde sich ein junger Mann, der immerhin schon dreiundzwanzig Jahre alt
war, überhaupt noch gelehrig zeigen? Aber Eduardo da Silva zerstreute die
Bedenken seines comissionistas schnell, indem er sich mit dem üblichen
Lohn einverstanden erklärte und auch sonst keine Sonderbehandlung seines Sohnes
wünschte. Als Pedro seine Stelle dann antrat, misstrauisch beäugt von Fernando
Ferreira und jedem seiner fünf Angestellten, wusste er innerhalb von einer
Woche alle für sich einzunehmen. Er war klug, fleißig, bescheiden und legte
nicht eine der Allüren an den Tag, die man von anderen reichen Söhnen kannte.
Stets war er freundlich, und nicht einmal in der drückenden Hitze, die in den
Sommermonaten die Arbeit im Schreibraum zur Hölle werden ließ und die an den
Nerven der Menschen zerrte, kamen ihm seine Gelassenheit und Fröhlichkeit
abhanden.
    Für Pedro da Silva war die Arbeit bei Fernando
Ferreira eine willkommene Gelegenheit, der erstickenden Langeweile der Provinz
zu entkommen. Rio de Janeiro! Für ein Leben in dieser pulsierenden Metropole,
in der es an Zerstreuungen nicht mangelte, würde er noch die stumpfsinnigste
Arbeit annehmen. Und was blieb ihm schon anderes übrig? Für die Medizin zeigte
er keinerlei Begabung, nach einem Semester hatte er das Studium aufgegeben. Die
Juristerei, das hatten zwei weitere verschwendete Semester ergeben, war ihm zu
theoretisch. Den ganzen Tag über Büchern brüten, das lag ihm nicht. Also besann
er sich auf das, wovon er dank Eduardo da Silvas Erziehung am meisten verstand:
Kaffee.
    Wenn Pedro jemals geglaubt hatte, seiner
Bestimmung als Nachfolger seines Vaters entgehen zu können, so verflüchtigten
sich seine Hoffnungen jetzt zusehends. Seine Lehre bei Ferreira, der sich ein
Ausbildungsjahr bei einem großen Exporteur anschließen sollte, machte ihm gar nicht
so wenig Spaß, wie er anfangs befürchtet hatte. Das Begutachten der Lieferungen
sowie das Feilschen mit den Fazendeiros einerseits und Exporteuren andererseits
gingen ihm mit großer Leichtigkeit von der Hand. Von allen Mitarbeitern
Ferreiras war Pedro außerdem der geschickteste in der Rekrutierung brauchbarer
Hilfskräfte zum Entladen der Waggons. Nur eine Minderheit der freien Schwarzen,
die man an jeder Straßenecke als Lastenträger anheuern konnte, war tüchtig
genug für diese Aufgabe, und Pedros Auge war nach jahrelangem Umgang mit den
Sklaven auf Boavista geschult. Alte, schwache oder verkrüppelte Männer konnte
man nicht brauchen. Ein Sack, der zu Boden fiel, konnte aufplatzen oder gar in
einer Pfütze brackigen Wassers landen.
    Die
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