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An die Empoerten dieser Erde

An die Empoerten dieser Erde

Titel: An die Empoerten dieser Erde
Autoren: Stéphane Hessel
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Bürgerrechtlern wie Martin Luther King, Václav Havel oder den Dalai Lama, den er kürzlich traf, in Verbindung bringen kann. Eminenter Diplomat und Poesieliebhaber in einem, bringt er die so scheinbar unterschiedlichsten Dinge unter ein Dach. Poesie ist für ihn der Königsweg ins Herz der Menschen, sie gibt vor, was Philosophie und Politik, was Vernunft und Verstand umsetzen sollen. Das ist keine Feindschaft der Philosophie gegenüber, ganz im Gegenteil, sondern ihre letzte Verortung:Philosophie im Sinne des von Hessel so geschätzten Immanuel Kant, eben »Weltphilosophie« und nicht »Schulphilosophie«, Philosophie auf der Höhe des Herzens, denn sonst ist sie entweder leer oder blind.
    Stéphane Hessels Aufruf »Zeigt und habt mehr Mitgefühl!« ist daher kein romantisches Ansinnen, sondern er steht in der Tradition von Jean-Jacques Rousseau über Karl Marx zu Arthur Schopenhauer, indem er die Wunden spürbar macht, die die Gesellschaft schlägt. Die Kälte, die so gewaltig entfremdeten und würdelosen Beziehungen zwischen Armen und Reichen, zwischen Akteuren des Kapitals und shareholdervalue-bereinigten menschlichen Ressourcen, zwischen staatsangestellten Sparern und ihren Opfern von der Größe ganzer Staaten, zwischen Erster Welt und, so scheint es manchmal, abgeschriebenem Rest der Welt – das ist es, was wir uns unter dem von Hessel geforderten Mitgefühl vorstellen müssen. »Solange es noch einen Bettler gibt, so lange gibt es noch Mythos«, heißt es in einem Fragment von Walter Benjamins Passagen-Werk , man möchte ergänzen: so lange gibt es noch Utopie! Denn das ist wie für Walter Benjamin so auch für Stéphane Hessel, der ihn persönlich kannte, die Losung. Denjenigen, die Hessel als Wutbürger beschimpfen, den Kostverächtern einfacher Worte, sei gesagt, dass Einfachheit auch erfahrungsgesättigte Reduktion von Komplexität sein kann, dass Komplexität kein Freibrief ist, um nichts zu tun.
    Nach Empört Euch! lautet die neue Botschaft Stéphane Hessels an die Empörten dieser Erde: »Verändert diese Welt, habt Mitgefühl und seid Bürger einer wahrhaften Weltgesellschaft. Du musst dein Leben ändern! Weshalbbist du empört? Weil du dein Leben bis jetzt noch nicht verändert hast.«
    Es gibt keinen anderen Weg als den zum Besseren hin, das ist die Quintessenz unserer heutigen Situation, das ist das Fanal dieses so begnadeten Redners, der ganze Säle zu füllen vermag. Stéphane Hessel hinterlässt einen tiefen Eindruck bei den Menschen, die ihn persönlich erleben durften. Ihr Enthusiasmus ist, das wusste bereits Immanuel Kant, ein Kriterium von Wahrhaftigkeit und Wahrheit.
    Stéphane Hessel schreitet uns voran als wahrhafter Weltbürger dieser, so nennt er es, »terre-patrie«, der neuen Weltheimat. Es käme ihm nicht in den Sinn, von einer »Leitkultur« zu sprechen, er gehört nicht zu denen, die glauben, dass sie sich selbst abschaffen, wenn sie als Gewinn begrüßen, was sich abzeichnet: die Weltgesellschaft.
    An jenem schönen Herbsttag 2011 kommt er auf Einladung der Gesellschaft Schweiz-Palästina und des Nationalrates Daniel Vischer nach Zürich. Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als er am Abend – in deutscher Sprache – seine Rede An die Empörten dieser Erde! hält, an die sich ein Gespräch mit dem ehemaligen Nahost-Korrespondenten und Moderator des Schweizer Fernsehens, André Marty, und zahlreiche Fragen aus dem Publikum anschließen. Es entsteht ein lebendiger Dialog zwischen mündigen Bürgern über ihre Zukunft, darüber, wie sie sie gestalten wollen. Die Figur der Utopie – an diesem Abend, in diesem Saal ist sie greifbar.
    Später gehen wir aufgeräumten Herzens mit Stéphane Hessel und seiner Frau ins Restaurant. Wieder überlegeich zunächst, ob der alte Mann, müde vom Tag, nicht rasch in sein Hotel zurückwill. Weit gefehlt: Zufrieden sitzt Stéphane Hessel vor einem großen Teller Spaghetti und trinkt mit uns ein Glas Wein. Wie alt sind wir doch gegenüber diesem jungen Mann von 94 Jahren, der uns kurz vor Mitternacht aus Hyperions Schicksalslied von Friedrich Hölderlin zur Warnung frei aus dem Kopfe rezitiert und uns dann verlässt!
    An die Empörten dieser Erde! – mit diesem Band zeigt uns Stéphane Hessel einmal mehr, wie seine Gedanken mit der fortschreitenden Zeit mithalten. Nach Empört Euch! und Engagiert Euch! entfaltet er in seiner Zürcher Rede und im Dialog mit dem Publikum und dem Herausgeber seinen ganzen Gedankenreichtum auf der Höhe
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