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Amok: Thriller (German Edition)

Amok: Thriller (German Edition)

Titel: Amok: Thriller (German Edition)
Autoren: Tom Bale
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Rückkehr nach Chilton war längst nicht so traumatisch, wie sie befürchtet hatte. Sie kam an einem grauen, unscheinbaren Märzmorgen an. Die Atmosphäre der Erschöpfung, die über dem Dorf lag, war fast mit Händen zu greifen, doch anders als zuvor hatte sie nichts Bedrohliches, nichts von lauernden Gefahren. Als sie das Haus betraten, bestand sie darauf, gleich in die Küche zu gehen und mit eigenen Augen den Raum zu sehen, wo Toby sein Ende gefunden hatte.
    Wo sie ihn getötet hatte.
    Sie stand eine Weile da und wartete darauf, dass irgendwelche Geister sich materialisierten, doch sie spürte nichts. Nur Müdigkeit, und die Befriedigung darüber, dass alles endlich vorbei war.
    Alles, bis auf ein letztes Gespräch.
     
    Es fand am dritten Tag nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus statt. Sie besprach sich zuerst mit Craig und spürte deutlich, dass er sich dagegen sperrte. Sie wusste, dass er befürchtete, es könne ihre Genesung negativ beeinflussen. Um ihretwillen, aber auch aus Eigeninteresse, versuchte er sich radikal auf die Zukunft zu konzentrieren. Er hatte ihr zudem deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich die Zukunft an ihrer Seite vorstellte – ein Gedanke, dem sie mit jedem Tag, der verstrich, mehr abgewinnen konnte.
    Als sie aus dem Fenster schaute, sah sie ihn und verließ das Haus. Es war ein warmer, sonniger Morgen. Nach dem zweiten Großeinsatz der Kriminaltechniker binnen weniger Wochen hatte das Aufräumkommando auch die restlichen Blumen und Kränze entfernt; ein Signal, dass die Zeit der Trauer zu Ende war und man nach und nach zum normalen Alltag zurückkehren würde. Bis auf ein paar Bäume, die dem Sturm zum Opfer gefallen waren, sah das Dorf jetzt wieder genauso aus wie vor dem 19. Januar.
    Die große Eibe dominierte nach wie vor den Dorfplatz. George Matheson wartete darunter, den Blick ins Leere gerichtet. Als er sie sah, drehte er sich um und lächelte unsicher.
    Die Umarmung, mit der sie sich begrüßten, schien sie beide zu überraschen. Während er sie an sich drückte, sagte er: »Was die beiden getan haben, tut mir sehr leid.«
    Sie lösten sich voneinander, und Julia nickte. »Sie müssen sich nicht entschuldigen. Ich weiß, dass Sie nichts damit zu tun hatten.«
    Er schien zunächst erfreut, doch dann seufzte er schwer. »Ich glaube, ich werde nie darüber hinwegkommen, wie gründlich Vanessa mich hintergangen hat.«
    »Ich erinnere mich noch an den Morgen, als wir uns hier getroffen haben«, sagte Julia. »Ich habe Ihnen von meinen Eltern erzählt, und Sie wirkten so mitfühlend, so ehrlich erschüttert über das Massaker. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass dieser Schmerz vielleicht nur gespielt sein könnte.« Sie schluckte krampfhaft. »Und jetzt weiß ich, dass es auch nicht so war.«
    »Craig hat Ihnen sicherlich alles erzählt, was sich drüben im Haus abgespielt hat. Wissen Sie, was Vanessa dazu getrieben hat?«
    Julia nickte. »Ihre Affäre mit Laura Caplan.«
    George ließ ein seltsames kleines Lachen vernehmen. Er drehte sich von der Eibe weg und steuerte auf den Teich zu. Julia ging neben ihm her. Der Anblick eines Postautos der Royal Mail, das die High Street heraufkam, ließ ihre Nerven ein wenig flattern; es erinnerte sie daran, wie alles angefangen hatte.
    »Wie geht es Megan?«, fragte sie.
    Seine Miene hellte sich schlagartig auf. »Sie macht Fortschritte. Sprechen kann sie noch nicht, aber sie reagiert auf Reize. Sie drückt meine Hand. Manchmal lächelt sie.«
    Julia stockte. Ihr Mund fühlte sich staubtrocken an. Er sah sie fragend an, seine Miene wohlwollend, als ob er wüsste, was sie sagen würde, und ihr signalisieren wollte, dass er nicht beleidigt sein würde.
    »Ist Megan Ihre Tochter?«
    Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Keine Überraschung, kein Schock, keine Wut. Aber dennoch schüttelte er den Kopf, und Julia war verwirrt.
    »Ich fürchte, die Wahrheit ist sogar noch tragischer«, sagte er. »Ich bin ihr Großvater.«
    Julia verschlug es die Sprache. Sie blieb am Ufer des Teichs stehen, starrte in das schlammig-braune Wasser und versuchte zu begreifen, was seine Enthüllung zu bedeuten hatte.
    »Als ich Keith einstellte, wusste ich von nichts«, fuhr George fort. »Laura hatte es mir jahrelang verschwiegen. Aus Angst, ich würde sie zurückweisen, wie sie mir später gestand. Sie war das Resultat einer sehr kurzen Beziehung, die ich mit Anfang zwanzig hatte. Ich hatte von der Schwangerschaft nichts geahnt. Laura erfuhr
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