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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung
Autoren: Stephen R. Donaldson
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voller Furcht, Verzweiflung oder schlichtweg in matter Abgestumpftheit, als hätte sie ihnen befohlen, Selbstmord zu begehen.
    Für einen Moment senkte Dolph Ubikwe den Blick. Als er aufschaute, merkte man seinen Augen eine auffällige Unverhohlenheit an, als hätte er einen Teil seiner Zurückhaltung abgestreift. »Ich bitte um Erlaubnis, offen sprechen zu dürfen, Direktorin.«
    Flüchtig überlegte Min, ob sie die Zustimmung verweigern sollte. Dann entschied sie sich dagegen. Einerseits galten gewissen Maßstäben zufolge Dispute zwischen Befehlshabenden als nachteilig für die Disziplin. Andererseits war die Rächer Ubikwes Raumschiff; welchen Tenor er anschlug, ob er die Besatzung damit inspirierte oder demoralisierte, seine Sache. Min hatte die Bereitschaft, seinem Gespür zu trauen.
    Sie nickte knapp. »Bitte.«
    Er rückte sich im Kommandosessel zurecht, als verlangte es ihn nach einem festeren Untersatz, bevor er sie mit seiner Dröhnstimme beschallte. »Dann gestatten Sie mir die Frage, Direktorin Donner«, meinte er im Ton krassester Entrüstung, »ob Ihr unverbesserliches Gehirn eigentlich den Verstand verloren hat? Lesen Sie denn keine Berichte mehr? Haben Sie keinen blassen Schimmer, was hinter uns liegt? Oder denken Sie vielleicht, sechs Monate lang Asteroiden und dem Feuer von Materiekanonen auszuweichen, wäre quasi ’n Urlaub? Die Aufgaben, die wir rund ums Valdor-Industriezentrum zu erfüllen hatten, hätten zu hohe Anforderungen an fünf Kreuzer gestellt. Wir können von Glück reden, daß wir noch leben und es bis nach Hause geschafft haben. Die Besatzung ist reduziert. Auch das steht in den Berichten. Mehrere Besatzungsmitglieder kreisen jetzt in Särgen um Massif 5. Wir haben Lecks, undichte Hydrauliken und eine Sensorgruppe ohne Verkabelung. Aber damit mag ich mich gar nicht lang aufhalten. Nach alldem, was wir durchgestanden haben, sollen ein paar kleinere Unannehmlichkeiten uns nicht weiter stören. Wir haben ernstere Probleme.«
    Seine Stimme klang barsch und laut genug, um Mins Ohren weh zu tun; doch sie wußte aus Erfahrung, daß er hinsichtlich seiner Stimmgewalt noch beträchtliche Reserven in petto hatte. Im Interesse ihres Wohlbefindens hoffte sie, daß er die Lautstärke nicht noch steigerte.
    »Haben Sie schon auf die Geräusche des Schiffs gelauscht, Direktorin Donner? Oder haben Sie vergessen, wie sich interne Drallverschiebung anhört? Haben Sie vergessen, wie so etwas sich auf ein Kriegsschiff auswirkt? Lassen Sie mich für den Fall, daß Sie zuviel Zeit am Schreibtisch verbringen und zuwenig an vorderster Front, Ihrem Gedächtnis nachhelfen. Wenn die Lager nachgeben und der interne Drall zur Dauererscheinung wird, bevor man es verhindern kann, überträgt sich das zentrifugale Trägheitsmoment aufs gesamte Schiff. Das Raumschiff als Ganzes gerät ins Kreiseln, ein Alptraum für Steuerung und Ortung, von der Zielerfassung ganz zu schweigen. Für derartige Manöver ist die Rächer nicht geschaffen. Und sollten wir im Asteroidengürtel ins Rotieren kommen – oder während eines Gefechts –, geben wir allesamt den Löffel ab. Was Sie verlangen, ist eine übergeschnappte Zumutung, Direktorin Donner. Über wie viele Kriegsschiffe verfügen wir mittlerweile? Fünfzig? Fünfzig Kreuzer, Zerstörer, Kanonenboote und regelrechte Schlachtschiffe? Soll ich Ihnen etwa glauben, sie seien für diesen Auftrag momentan alle unabkömmlich? Daß sich kein einziges dieser Raumschiffe in Reichweite befindet? Und falls es so ist, dann soll doch die KombiMontan-Station sich mit dem auseinandersetzen, was sich dort ergibt. Zum Teufel noch mal, Direktorin, sie hat im dortigen System genügend Feuerkraft, um drei Schiffe von der Qualität unseres Kreuzers zu atomisieren. Lassen Sie sie doch auf ihren gottverdammten Asteroidengürtel noch für ’n paar Stunden mehr allein aufpassen. Wir jedenfalls sind dafür nicht in der geeigneten Verfassung.«
    Aus Gründen, die sie sich selbst noch nie zu erklären versucht hatte, schätzte Min oft ihre Offiziere am meisten, wenn sie ihr offenen Zorn zeigten. Vielleicht weil sie Kapitän Ubikwes Empörung nachvollziehen konnte und dafür Verständnis aufbrachte oder vielleicht weil sie selbst so wütend war, daß ihre Wut und seine Erbitterung ein sonderbares Band der Gemeinsamkeit um sie beide schlang, begegnete sie seinem Einspruch mit einem nachgerade zuneigungsvollen Lächeln.
    »Ist das alles?«
    »Nein.« Ihre Reaktion beunruhigte ihn, doch offenbar mochte
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