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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung
Autoren: Stephen R. Donaldson
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konnte. Nicht zum erstenmal sorgte sich Min, daß die VMKP, solange die Amnion-Gefahr existierte – solange der Bannkosmos für geraubte oder gestohlene Güter Reichtum verhieß –, zum Scheitern verurteilt sein mochte.
    Wie üblich behielt sie ihre Gedanken für sich. »Ich gehe auf die Brücke«, antwortete sie statt dessen dem Bootsmann. Ehe er irgendwelche Befehle erteilen konnte, ließ sie die Ehrenwache abtreten. Im allgemeinen hatte sie etwas gegen die Formalitäten, die sich mit ihrer Position als VMKP-Direktorin verbanden; in diesem Fall war sie besonders dagegen, weil es ihr widerstrebte, die Kräfte dieser Frauen und Männer für zeremoniellen Firlefanz zu vergeuden.
    »Direktorin«, wollte der Bootsmann, für einen Moment verwirrt, einen Einwand vortragen, »der Kapitän hat befohlen…« Doch im nächsten Augenblick besann er sich; er salutierte und schickte die Ehrenwache fort. »Hier entlang, Direktorin.«
    Min kannte den Weg. Sie hätte den Weg auf jedem von der VMKP in Betrieb genommenen Raumschiff mit verbundenen Augen finden können. Aber sie tat dem Bootsmann den Gefallen, sich von ihm hinführen zu lassen. Durchs Fortsenden der Ehrenwache hatte sie ihn schon hinreichend außer Tritt gebracht.
    Als sie aus dem ersten Lift trat und den Weg mittschiffs fortsetzte, war ihr schon klar, daß die Rächer technische Probleme hatte. Aufgrund der kürzlich erlittenen Schädigung ihrer Trommelfelle konnte sie nicht deutlich genug hören, um das charakteristische Gesumm und Winseln des Raumkreuzers zu unterscheiden. Aber sie bemerkte Zentrifugalschwerkraft durch die Stiefelsohlen; spürte mit den Nervenenden der Haut Schwingungen. Sie nahm unterschwellige Materialverspannungen wahr wie ungedämpfte Obertöne.
    »Sie haben eine bordinterne Drallverschiebung«, meinte sie zum Bootsmann. »Irgendwo schaben Lager.«
    Der Bootsmann guckte sie verblüfft von der Seite an. »Woher…?« Aber sie war OA-Direktorin: er hatte ihre Worte nicht in Frage zu stellen. Beflissen riß er sich zusammen. »Ja, Direktorin, im Bug«, gab er zur Antwort. »Wir haben einen schweren Treffer abgekriegt, durch den die ganze Mittelsektion angeknickt worden ist. Das ist aber noch nicht alles. In manchen Abschnitten des Hydrauliksystems sind Haarrisse entstanden. Mehrere Türen klemmen, bis der Druck sich korrigiert. Deswegen sind ein halbes Dutzend Schotts nicht mehr richtig dichtzumachen. Und wir mußten zwei Einschüsse einstecken. Der Kahn ist dicht geblieben, aber das Kabel zu einer der Sensorgruppen ist unterbrochen. Der Kapitän hat zur Zeit Leute draußen, die die Leitungen flicken sollen, bevor wir in die Tach wechseln. Und was den ganzen Rest angeht… Direktorin, wir hatten bisher keine Gelegenheit, um die Risse zu beheben und die Lecks zu beseitigen. Im Laufe der letzten sechs Monate sind wir fast ununterbrochen auf Gefechtsstation gewesen. Und interner Drall kann ausschließlich in einer Werft readjustiert werden.«
    Der junge Offizier erweckte einen so zermürbten, genervten Eindruck, daß Min sich sofort Selbstvorwürfe machte. »Es war keine Kritik beabsichtigt, Bootsmann«, stellte sie klar. »Ich habe nur eine Feststellung ausgesprochen.«
    Der Bootsmann schluckte schwer. »Danke, Direktorin.« Seine Augen blieben bedenklich feucht, bis er sie endlich trockenblinzelte.
    Die Besatzung der Rächer hatte allerdringendsten Bedarf nach einer Erholungspause.
    Warden Dios, du verdammter, elender Scheißkerl, dachte Min voller Empörung, weil sie es normalerweise vorzog, aufs Wohl ihrer Untergebenen Wert zu legen. Ich hoffe bloß, du weißt, was für ein Ding du drehst, verflucht noch mal.
    Überall im Raumschiff herrschten höchst emsige Aktivitäten. Männer und Frauen hasteten in alle Richtungen, kamen von den hunderterlei verschiedenen dienstlichen Erledigungen, die es erforderte, einen neuen Flug vorzubereiten, oder gingen an derartige Verrichtungen. Die wenigen Besatzungsmitglieder, die Min erkannten, hielten inne und salutierten; doch die Mehrzahl konzentrierte sich zu stark auf die anstehenden Aufgaben, mußte sich infolge Ermüdung und in Anbetracht der gebotenen Eile viel zu sehr konzentrieren, als daß sie ihr Auftauchen überhaupt zur Kenntnis genommen hätte.
    Kreuzer der Skalpell-Klasse hatten unter regulären Umständen eine über sechzigköpfige Besatzung. Gegenwärtig hatte die Rächer allerdings weniger Leute zur Verfügung. In den Berichten wurden vier Tote sowie elf wegen gefechtsbedingten Nervenschocks
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