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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)
Autoren: Geert Mak
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»Willst du wissen, was die Arbeitslosen während der Weltwirtschaftskrise durchmachen mussten? Geh auf Amazon.com und bestelle John Steinbecks Krisenepos Früchte des Zorns «, schrieb die Kolumnistin Ezra Klein noch im November 2011. The Band, eine Rockgruppe, die wie keine andere das Lebensgefühl der einfachen Amerikaner widerspiegelt, ließ sich beim Verfassen ihrer Songtexte von John Steinbeck inspirieren. Die eleganten Penguin-Taschenbuchausgaben seiner Werke werden jedes Jahr zu Hunderttausenden verkauft, Auflage um Auflage um Auflage. Seine Bücher sind in vielen amerikanischen Schulen immer noch Pflichtlektüre. »Zweck Ihres Besuchs?«, fragt mich der chinesisch aussehende Schalterbeamte im Sommer 2010 auf dem Flughafen von San Francisco. »Archivrecherchen.« – »Zu welchem Thema?« – »John Steinbeck.« – »Ah, Von Mäusen und Menschen , darüber habe ich seinerzeit einen Aufsatz geschrieben.« Seine Miene erhellt sich.
    Steinbeck selbst war, je älter er wurde, immer weniger von der Qualität seines Werks überzeugt, wie Elaine und seine Freunde später berichteten. Bei jedem Buch, das er veröffentlichte, musste er einige heftige Attacken über sich ergehen lassen, oft von prominenten Rezensenten. Diese Kritiken trafen ihn in seiner ganzen Zurückgezogenheit sehr – immer mehr sah es so aus, als gebe er seinen Kritikern in tiefstem Herzen recht. Oft stellte er sich die Frage, wieso kein Schriftsteller den Erfolg eines Bestsellers überlebte. Erst später, sagte er irgendwann einmal, habe er es verstanden: »Du wirst dir deiner selbst bewusst, und das ist das Ende des Schreibens.«
    In den fünfziger Jahren schaute Steinbeck auf ein beeindruckendes Œuvre zurück, doch der Erfolg kam ihm dubios vor. »Bin ich das überhaupt wert?« – »Bin ich eigentlich von Bedeutung?« Er schrieb über das »rastlose Amerika«, doch er selbst war ein Musterbeispiel dessen, immer suchend, immer mit sich selbst ringend. Und das überspielte er dann mit einem gewissen Imponiergehabe.
    John habe die Neigung gehabt, sich aufzuplustern, schrieb Arthur Miller in seinen Memoiren, »um den starken, fähigen und herzlichen Mann aus dem Westen zu spielen«. Miller zeichnete in einer Gelegenheitsveröffentlichung mit Erinnerungen an John Steinbeck ein wunderbares Porträt des Kollegen, so wie er ihn erlebt hat. Steinbeck habe in den fünfziger Jahren Weltruhm genossen, er sei eine Berühmtheit gewesen, dessen Leben erfüllt gewesen sei von prominenten Freunden und der Macht, die mit dem Ruhm einhergehe. Als Miller Steinbeck jedoch aus der Nähe erlebte, war er überrascht von dessen Unsicherheit, Empfindlichkeit und Verlegenheit – vor allem auch deshalb, weil er so groß war und so entschieden in seinen Ansichten.
    Er hatte viele Philosophen gelesen, kannte sich aus in der klassischen Literatur, und er war – das berichten andere – ein willkommener Gast bei den Diners von Miller und seiner damaligen Frau Marilyn Monroe. Marilyn und John hatten große Achtung voreinander. Sie sah in ihm den wahren Künstler, und sie gab sich große Mühe, nett und intelligent zu erscheinen; er sah in ihr einen Star mit einer erotischen Ausstrahlung, der selbst dieser knorrige Mann sich unmöglich entziehen konnte. Dennoch schlug sein Herz ganz offensichtlich für etwas anderes. Er hatte etwas Einfaches, und er geriet, so Miller, erst dann so richtig in Begeisterung, wenn er über das Leben auf dem Land oder in einer kleinen Stadt reden konnte. Als geborener New Yorker habe er in Steinbeck, bei allem Respekt, nur einen in die Höhe geschossenen Bauernjungen sehen können, schrieb Miller.
    Zudem war der Zeitgeist gegen Steinbeck. In den späten fünfziger Jahren herrschte in Amerika ein unvorstellbarer und übertriebener Patriotismus, der Wettlauf mit der Sowjetunion war auf dem Höhepunkt, und Steinbeck, der seine Karriere als fortschrittlicher Autor begonnen hatte, fühlte sich ganz offensichtlich zerrieben zwischen den Ansichten, die sein früheres Leben bestimmt hatten, und der nun dominierenden Mentalität. Arthur Miller: »Um ehrlich zu sein, hatte ich während der letzten Jahre seines Lebens oft den Eindruck, dass er sich meistens entwurzelt fühlte – also nicht gerade ein Weltbürger, der überall zu Hause war. Aber ein amerikanischer Schriftsteller bleibt nun mal selten daheim.«
    Steinbeck ging tatsächlich immer wieder auf Reisen, vor allem nach Europa und Mexiko. Außerdem entdeckte er in einer Art geistigem Exil für
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