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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
Autoren: Elizabeth Peters
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hinunter und verschwand aus dem Blickfeld.
    Er blieb sehr lange unten. Kein Geräusch drang aus dem Schacht. Hin- und hergerissen zwischen Argwohn und Vorfreude, trat Kuentz näher an die Öffnung. »Was machen Sie da unten, Professor?«
    Emersons zerzauster schwarzer Schopf tauchte auf. Seine Hände ruhten lässig auf dem Rand des Schachts, er blickte auf. »Es ist eine Fälschung«, sagte er.
    Spontan ließ ich mich zu Boden fallen und riss Cyrus mit mir. Es war eine verständliche, aber unnötige Vorsichtsmaßnahme; Kuentz ließ das Gewehr los, als Emersons Hände seine Knöchel packten und ihm den Boden unter den Füßen wegzogen. Selim schnappte sich die Waffe und Emerson schwang sich auf Kuentz’ Brustkorb, worauf die verstörten Dorfbewohner in alle Himmelsrichtungen flüchteten.
    »Ah«, sagte Daoud, der die Darbietung aufmerksam verfolgt hatte. »Bald kann ich ihn töten, ist es nicht so?
    Wo ist Nur Misur?«
    »Vermutlich hat Ramses sie inzwischen in Sicherheit gebracht«, bemerkte Emerson überzeugt. »Selim, besorge mir einen Strick.«
    Ich fand es jammerschade, dass Ramses diese außerordentliche Achtungsbezeigung nicht hören konnte. Es gelang mir nicht, Emersons Überzeugung zu teilen, gleichwohl blieb noch einiges zu klären, bevor wir auf die Suche nach unseren vermissten Kindern gehen konnten. Ich trage stets eine Rolle Seil an meinem Gürtel, den ich mir gleich wieder umschnallte; damit und mit Hilfe einiger Stoffstreifen von diversen Kleidungsstücken banden wir Kuentz trotz seiner heftigen Gegenwehr an Händen und Füßen. Währenddessen war Cyrus an den Rand des Schachts getreten.
    »Ich halte das nicht aus«, bemerkte er unvermittelt.
    »Leute, ihr mögt mich für ein egoistisches, kaltblütiges Individuum halten und ich brauche auch höchstens eine Minute, aber wenn ich das da unten nicht zu sehen kriege, platze ich vor Neugier.«
    »Dann gehen Sie.« Emerson schmunzelte. »Wir brauchen vielleicht noch ein oder zwei Minuten, um zu erfahren, wohin dieser syrische Halunke Nefret verschleppt hat. Hilf Effendi Vandergelt, Daoud. Also los, Kuentz, was haben Sie uns mitzuteilen?«
    Der Schweizer, der inzwischen einsah, dass jeder Widerstand zwecklos gewesen wäre, blieb reglos liegen und atmete schwer. »Es war eine Lüge«, keuchte er. »Die Statue ist echt. Sie wissen es. Sie haben es auf Anhieb gewusst!«
    »Er hat nach wie vor etwas von einem Wissenschaftler«, bemerkte Emerson mir gegenüber. »Denn wenn dem nicht so wäre, hätte mein kleiner Trick nicht funktioniert. Ja, sie ist echt, und ja, ich wusste davon, und nochmals ja, ich hoffte, dass Ihr plötzlicher Konzentrationsverlust …«
    Ein unheimliches Geheul drang aus dem Stollen. Emerson grinste. »Vandergelt verfügt nicht über meine Selbstbeherrschung. Vielleicht sollten wir ihn hier lassen, zur Bewachung der Statue. Ich möchte ungern riskieren, dass diese Burschen aus Gurneh nach unserem Aufbruch hier herumschnüffeln. Wohin gehen wir, Kuentz?«
    »Sie können mich nicht zum Reden zwingen«, schnaubte Kuentz.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, erwiderte Emerson gefährlich sanft. »Man kennt mich für meine Geduld und Rücksichtnahme, aber wo die Sicherheit meiner Tochter betroffen ist … Sie sagen, Sie haben sie früher einmal geliebt. Ich denke, das ist auch heute noch der Fall. Sie wollten Sie gar nicht freigeben, stimmt’s? Und dennoch haben Sie sie in der Obhut eines brutalen Mörders gelassen. Wenn ihr etwas zugestoßen oder sie schlecht behandelt worden ist, dann werde ich erst Ihren syrischen Freund töten und dann Sie.«
    Schweiß strömte über das Gesicht des Mannes. »Ich bin willens, Ihnen einen Handel vorzuschlagen. Nein, hören Sie mir zu! Ohne meine Unterstützung können Sie sie nicht aus der Hand von Mubashir befreien, denn ich bin der Einzige, auf den er hört. Ich werde Sie begleiten und ihm befehlen, sie freizugeben, wenn Sie mir Ihr Wort ge ben, dass Sie mich unbehelligt gehen lassen.«
    Emerson ist es gewohnt, seinen eigenen Kopf durchzusetzen, ohne Kompromiss oder Kuhhandel. Seine Augen verengten sich zu schmalen, saphirblau funkelnden Schlitzen.
    »Wir müssen darüber diskutieren«, räumte ich ein.
    »Komm mit, Emerson. Selim, lass ihn nicht aus den Augen.«
    Gemeinsam traten wir aus dem gleißenden Sonnenlicht. Unter meiner beschwichtigenden Hand war Emersons Arm hart wie Granit. »Wir müssen zustimmen, Emerson«, sagte ich sanft. »Ich teile deine Bewunderung für Ramses’ Fähigkeiten, aber
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