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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
Autoren: Elizabeth Peters
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ihm eine andere Bleibe suchen?«
    »Überlass es mir«, sagte ich, Katherines höflichen Protest ignorierend.
    Cyrus wirkte nachdenklich entrückt. »Ich darf euch doch helfen, oder? Schätze, ich bin einem bedeutenden Fund noch nie so nahe gekommen. Scheine nur selber kein Glück zu haben. Wie lange, glauben Sie, befindet sich die Statue schon dort?«
    »Seit 663 vor Christus«, erwiderte Ramses.
    »Alle Achtung!«, entfuhr es Bertie. »Das ist verflucht gut. Wie kannst du das so präzise festlegen?«
    Ramses blickte zu seinem Vater. Leise und unmelodisch summend griff Emerson zu seiner Pfeife und erwiderte den respektvollen Blick seines Sohnes mit gespannter Erwartung.
    »Ich kann mich irren«, führte Ramses aus. »Aber es ist eine plausible Einschätzung. Die Herrschaft von Theben wechselte im Laufe der Jahre viele Male, von den Eroberern aus dem Norden über die kuschitischen Könige zu den Hohepriestern, aber alle, sogar die Kuschiten – vor allem die Kuschiten –, waren ehrfürchtige Anhänger der alten Gottheiten. Es hat die eine oder andere Plünderung stattgefunden, wage ich zu behaupten, aber die Schreine waren unantastbar. Die Eroberer brüsteten sich damit, dass sie die Statuen und Opfergaben nicht angerührt hätten. Dann ›fielen die Assyrer ein wie ein Wolf in die Herde‹.«
    »Dichtung«, murmelte ich.
    »Nicht irgendeine Dichtung, sondern Byron«, räumte Ramses ein. »Gleichwohl muss es so gewesen sein. ›Ihre glänzenden Speere funkelten wie die Sterne über dem Meer.‹ Zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte wurde die Stadt Theben eingenommen. ›In Theben machte ich reiche Beute; zwei Obelisken aus schimmernder Bronze …‹ Die Assyrer interessierten sich nicht für die Gottheiten. Zu ihrer Beute zählten auch das Inventar der Tempel und die Götterstatuen – außer einer. Wie die Priester diese fortschaffen konnten, werden wir nie erfahren.« »Es sei denn, wir finden dort einen Papyrus oder Tonscherben«, warf Cyrus ein.
    »Das wäre ein Fund, was?« Ramses nickte zustimmend. »In gewisser Weise noch bedeutsamer als die Statue. Allerdings muss es sich um eine überstürzte Verzweiflungstat gehandelt haben, da die Assyrer bereits anrückten – vielleicht schon am Ostufer standen –, und sie hofften, sie eines Tages zurückzuholen. Sie müssen im Zuge der Verteidigung der Stadt den Tod gefunden haben. Jegliches Wissen um die Stätte ging im Dunkel der Zeit verloren.« »Bis Jamil sie aufgespürt hat«, sagte ich. »Was wird aus ihm?«
    »Du meinst wohl, was ist aus ihm geworden«, erwiderte Emerson. »Nefret kann ihn nicht ernsthaft verletzt haben, sonst wäre er nicht in der Lage gewesen, ihr Pferd zu nehmen und spurlos zu verschwinden. Wir wissen immer noch nicht, wie tief er in die Sache verstrickt war. Kuentz will nicht reden. Auf eine Art hoffe ich, dass der Junge nicht zurückkehrt. Ihm würde zumindest eine Gefängnisstrafe drohen und das brächte Schande über seine gesamte Familie.«
    Wir alle stimmten überein, dass es sehr wahrscheinlich war, dass Jamil der ursprüngliche Entdecker des Schreins gewesen war; andernfalls hätte Kuentz ihn gewiss nicht zum Verbündeten erklärt. Er hatte, zusammen mit einigen anderen, für Kuentz gearbeitet; entweder hatte Kuentz ihn bei der Entdeckung ertappt, oder Jamil hatte gescheiterweise begriffen, dass er den unglaublichen Fund nicht selber würde veräußern können. Getrieben vielleicht von dem Instinkt, der es den moralisch Korrupten erlaubt, einander zu erkennen, war er an Kuentz herangetreten.
    Spekulationen brachten uns nicht weiter, deshalb verwarfen wir sie kurzerhand. Mit einigen weiteren Lobreden und einem entsprechenden Maß an Whisky ließen wir den Abend ausklingen.

    Erst am nächsten Morgen war ich in der Lage, eine Zusammenkunft einzuberufen, die, nach meinem Dafürhalten, meine letzten Fragen ausräumen würde. Sie fand in Sethos’ Krankenzimmer statt. Die einzigen weiteren Anwesenden waren wir vier, denn die zur Diskussion stehenden Punkte sollten vor niemandem enthüllt werden, nicht einmal vor unseren geschätzten Freunden – oder Margaret Minton.
    Ich hatte meinen Schwager nicht von meinem Vorhaben informiert; bei den meisten Männern, vor allem bei den Mitgliedern der Familie Emerson, ist eine vorherige Warnung ein taktischer Fehler. Immerhin war ich so höflich zu warten, bis der Diener mir mitteilte, dass er sein Frühstück beendet habe, aufgestanden und angekleidet sei. Darauf klopfte ich.
    Als er sah, wer
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