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Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor

Titel: Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
Autoren: Elizabeth Peters
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graue Haarsträhnen hatte er sorgfältig über seine Glatze gekämmt. Seine Schultern waren eingesunken, sein Gang langsam und schleppend wie der eines Rheumakranken. Als er näher kam, schritt er schneller, richtete sich auf und hob den Kopf. Es war wie die Verwandlung in einem Märchen, in dem ein Zauberspruch einen alten Krüppel in einen Prinzen verwandelt. Ich hielt den Atem an.
    »Bitte, schreien Sie nicht«, sagte Sethos. »Denn falls Sie das beabsichtigten, sähe ich mich gezwungen, Sie in einer Art und Weise mundtot zu machen, die mir zwar größtes Vergnügen, Ihnen allerdings Verdruß bereiten würde. Bedenken Sie Ihren Ruf! Einen Fremden inmitten von Hunderten von Leuten auf dem Bahnsteig zu umarmen!«
    Eine Wand im Rücken verhindert den heimtückischen Angriff von Widersachern, hindert einen selbst aber auch daran, sich solchen Subjekten zu entziehen, wenn sie frontal vor einem stehen. Sethos’ Arme waren leicht angewinkelt, und seine Handflächen ruhten locker auf der Wand. Mir war klar, was geschah, wenn ich meinen Sonnenschirm gegen ihn zu erheben oder ihm zu entwischen versuchte.
    »Es würde Ihnen nicht gelingen, mich sehr lange zu küssen«, sagte ich unsicher.
    Sethos warf den Kopf zurück und lachte. »Meinen Sie nicht? Amelia, mein Schatz, ich liebe Ihre Art, unumwunden auf den Punkt zu kommen. Die meisten Frauen würden jammern oder in Ohnmacht fallen. Selbstverständlich könnte ich Sie so lange küssen, bis meine Finger einen gewissen Nervendruckpunkt gefunden hätten, aufgrund dessen sie sofort und völlig schmerzfrei bewußtlos wären. Bringen Sie mich nicht in Versuchung. Ich habe dieses Rendezvous vorgeschlagen, weil ich Ihnen unter romantischeren Bedingungen als denen anläßlich unserer letzten Begegnung Lebewohl sagen wollte und weil ich mir dachte, daß Sie vielleicht noch einige Fragen haben.«
    »Und weil Sie Ihren letzten großen Triumph auskosten wollten«, sagte ich angewidert. »Ihre Verkleidung ist zwar hervorragend, aber ich hätte Sie erkannt, wenn ich Sie aus der Nähe heraus zu Gesicht bekommen hätte.«
    »Schon möglich. Aus Gründen der Vorsicht zog ich es vor, die meiste Zeit in den Tiefen dieser Grabstätte zu verweilen.« Er lächelte ironisch. »In den vergangenen Tagen habe ich eine ganze Menge über die Kunst der Fotografie erlernt.«
    »Zur Hölle mit Ihnen! Am Abend, als Sir Edward mit Ihnen zum Essen verabredet war –«
    »Gab er mir eine kurze Einführung in dieser Sache, die mir völlig fremd war«, stimmte Sethos freundlich zu. »Ich bin ein Mann mit vielen Talenten, aber die Fotografie gehört nicht dazu. Die von mir in den ersten Tagen belichteten Fotoplatten waren eine einzige Katastrophe. Sie waren in der Tat so schlecht, daß wir beschlossen, Sir Edward als ›Assistenten‹ einzuschleusen. Er erledigte die eigentliche Arbeit. Aber ich befürchte, daß Mr. Davis sehr enttäuscht sein wird, wenn er die Fotos sieht.«
    Eine schreckliche Vorahnung bemächtigte sich meiner. »O gütiger Himmel! Soll das heißen, daß es letztlich gar keine Fotodokumentation gibt?«
    »Sie machen sich wirklich Sorgen um Ihre verdammten – Verzeihung – Gräber, nicht wahr?« Sein Lächeln war nicht mehr ironisch; es war zärtlich und liebenswürdig. Ich senkte den Blick. Die Pfeife des Stationsvorstehers ertönte. Sethos blickte über seine Schulter. »Das ist es, was Sie wissen sollten, Amelia. Ich kann Mr. Davis nicht alle von Edward fotografierten Aufnahmen überlassen; selbst ein inkompetenter Narr wie er würde bemerken, daß sich einige der auf den Fotos abgelichteten Objekte nicht mehr im Grab – beziehungsweise im Sarkophag – befinden.«
    »Was! Wie? Wann?«
    »In der Nacht vor M. Masperos Ankunft in Luxor.« Die seltsamen Augen hinter den goldumrandeten Brillengläsern strahlten. »Es ist keineswegs schwierig, die armen wachhabenden Teufel zu bestechen, dennoch kann sich Ihr Gatte glücklich schätzen, daß es Edward gelungen ist, ihn davon zu überzeugen, an jenem Abend nicht ins Tal zurückzukehren. Also, meine liebe Amelia, schauen Sie mich doch nicht so ungnädig an. Grabraub ist mein Beruf, das wissen Sie doch.«
    »Was haben Sie entwendet? Wie konnten Sie –«
    »Ich befürchte, es bleibt keine Zeit, alle Ihre Fragen zu beantworten. Seien Sie versichert, daß ich den Schaden gering zu halten versuchte – geringer, glaube ich, als dieses überhebliche Pack von Pseudowissenschaftlern. Ich habe einige der weltweit renommiertesten Restauratoren – oder
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