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Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin

Titel: Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
Autoren: Elizabeth Peters
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bald zum Übermittler einer solchen Hiobsbotschaft werden sollte.
    Rose, mein unersetzliches und weichherziges Hausmädchen, schluchzte in ihre Schürze, während unser Butler Gargery, dem selbst die Tränen in den Augen standen, sie zu trösten versuchte. Nefret war nicht im Haus. Nachdem ich die Ställe und die Gärten abgesucht hatte, fiel mir ein, wo sie stecken könnte.
    Wahrscheinlich finden es einige Menschen befremdlich, daß ein derartiges Monument auf dem Grundstück eines ruhigen englischen Landhauses steht. Andererseits sind falsche Ruinen und Pyramiden inzwischen recht in Mode gekommen, und so mancher Ägyptenreisende schmückt sein Heim mit mitgebrachten Stelen und Sarkophagen. Die kleine Ziegelpyramide in einer stillen Lichtung war allerdings kein modisches Dekorationsobjekt. Sie erhob sich über den sterblichen Überresten eines kuschitischen Prinzen, der beim vergeblichen, aber heldenhaften Versuch, Nefret zu ihrer Familie zurückzubringen, sein Leben gelassen hatte. Auf die Bitte seines Bruders hin, der diese Bemühungen zu einem triumphalen Abschluß gebracht hatte, hatten wir den jungen Mann feierlich nach den Sitten seines Volkes beerdigt. Eine kleine Kapelle, über deren Tür die Sonnenscheibe und die Namen und Titel des toten Knaben eingemeißelt waren, bildeten den Sockel des Monuments. Hin und wieder kam Nefret hierher, denn Tabirka war der Spielgefährte ihrer Kindheit gewesen. Auch ich verbrachte häufig eine stille Stunde bei der Pyramide, die idyllisch inmitten von Bäumen und Wildblumen stand.
    Nefret saß auf einer steinernen Bank neben der Kapelle und flocht eine Blumengirlande. Als sie mich kommen hörte, blickte sie auf. Der Schrecken war mir wohl anzusehen, denn sie stand sofort auf und bot mir einen Platz an.
    »Ich muß nach Chalfont Castle«, sagte ich, noch ganz durcheinander. »Ich habe versucht, Emerson und Ramses zu erreichen, aber sie waren weder im London House noch im Museum, und ich habe ihnen eine Nachricht hinterlassen. Ich darf keine Zeit verlieren; Evelyn braucht mich. Kommst du mit?«
    »Natürlich, wenn du willst.«
    »Vielleicht muntert es Evelyn ein wenig auf«, sagte ich. »Wie soll sie nur darüber hinwegkommen? Ich habe mit Walter gesprochen …«
    Wahrscheinlich wäre ich benommen sitzengeblieben, weil ich es einfach nicht glauben konnte. Aber Nefret zog mich hoch und brachte mich zum Haus.
    »Ich helfe dir packen, Tante Amelia. Und selbstverständlich komme ich mit. Wie ist es geschehen?«
    »Das Ende kam ganz plötzlich, und sie mußte – Gott sei Dank – nicht leiden«, antwortete ich. »Als Evelyn sie gestern abend ins Bett brachte, fehlte ihr nichts. Und heute morgen hat das Kindermädchen sie gefunden …«
    Ich glaube, ich brach wieder in Tränen aus. Nefret legte mir ihren schlanken Arm um die Taille. »Sei nicht traurig, Tante Amelia. Ich habe Tabirka gebeten, auf sie zu achten. Er ist sehr mutig und hat ein gutes Herz; er wird sie vor den Gefahren der Finsternis beschützen und sie sicher in die Arme des Gottes legen.«
    Damals hörte ich Nefrets kleiner Ansprache kaum zu und entnahm ihr nur den Trost, den sie mir vermitteln sollte. Als ich mich später wieder daran erinnerte, überkam mich ein merkwürdiges Gefühl. Hatte ich ihr vom Tod des Babys erzählt? Nein, und trotzdem hatte sie es gewußt – noch ehe ich überhaupt ein Wort gesagt hatte. Noch beängstigender war ihre Anspielung auf die alte (und natürlich heidnische) Religion, der sie doch angeblich abgeschworen hatte. Schlich sie sich deshalb zur Kapelle ihres toten Pflegebruders – um Gebete zu flüstern und den alten Göttern zu opfern, die sie heimlich verehrte?
    Evelyn und ihr Mann Walter, Emersons jüngerer Bruder und selbst ein angesehener Ägyptologe, waren unsere besten Freunde und nächsten Verwandten. Sie liebten ihre Kinder, und ich hatte damit gerechnet, daß Evelyn am Boden zerstört sein würde. Doch als Wilkins mit rotgeränderten Augen unsere Ankunft meldete, eilte sie uns entgegen und wirkte auf den ersten Blick weniger betrübt als er.
    »Wir hatten mehr Glück als die meisten Familien, liebe Freundin«, sagte sie mit einem gefrorenen Lächeln auf den Lippen. »Gott hat uns fünf gesunde Kinder gelassen. Wir müssen uns seinem Willen beugen.«
    Gegen eine derartige Zurschaustellung christlicher Stärke konnte man nur wenig einwenden, doch im Laufe des Sommers kam ich immer mehr zu dem Schluß, daß sie es übertrieb. Tränen und Gefühlsausbrüche wären mir lieber
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