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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod
Autoren: Elizabeth Peters
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Jugend, Schönheit, geheimnisvolle Herkunft, Adel und viel Geld –, und, wie ich Emerson sagte, hatten es die Schakale von der Presse, wie Emerson diese Herren zu bezeichnen pflegte, aufgrund vergangener Ereignisse ohnehin auf uns abgesehen.
    Wenn möglich ziehe ich es vor, die Wahrheit zu sagen. Nicht nur, weil uns die moralischen Grundsätze unserer Gesellschaft zur Ehrlichkeit verpflichten, sondern weil es viel einfacher ist, bei den Tatsachen zu bleiben, als zu lügen, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln. Doch in diesem Fall kam die Wahrheit nicht in Frage. Als wir die ›Verlorene Oase‹ (oder die Stadt des heiligen Bergs, wie die Bewohner sie nannten) verließen, hatten wir geschworen, nicht nur ihre Lage, sondern auch ihre Existenz geheimzuhalten. Da diese aussterbende Zivilisation nur aus wenigen Menschen bestand, die keine Feuerwaffen kannten, hätten Abenteurer, Schatzjäger und – nicht zu vergessen – skrupellose Archäologen ein leichtes Spiel gehabt. Außerdem durfte man einen zwar weniger zwingenden, aber trotzdem wichtigen Punkt nicht aus den Augen verlieren, und das war Nefrets guter Ruf. Wäre es bekannt geworden, daß sie bei einem sogenannten primitiven Volk aufgewachsen war und dort als Hohepriesterin einer heidnischen Gottheit fungiert hatte, hätten ihr die anzüglichen Spekulationen und unschicklichen Witze, zu denen eine solche Vorstellung die Unwissenden hinreißt, das Leben zur Hölle gemacht. Nein, die Wahrheit durfte nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Also war es nötig, sich eine überzeugende Lüge einfallen zu lassen, und wenn ich gezwungen bin, von meinem Prinzip der Aufrichtigkeit abzuweichen, lüge ich nicht schlecht.
    Glücklicherweise lieferten uns die damaligen historischen Ereignisse eine plausible Erklärung. Der Aufstand der Mahdisten im Sudan, der 1881 begonnen und in dem unglücklichen Land länger als ein Jahrzehnt gewütet hatte, neigte sich dem Ende zu. Ägyptische Truppen (selbstverständlich unter Führung britischer Offiziere) hatten den Großteil des verlorenen Gebiets zurückerobert, und einige Menschen, die schon als verschollen gegolten hatten, tauchten wie durch Zauberhand wieder auf. Die Flucht von Slatin Pasha – früher Slatin Bey – war wohl das erstaunlichste Beispiel einer wundersamen Rettung, aber es gab noch andere, zum Beispiel Vater Ohrwalder und zwei Nonnen seiner Mission, die sieben Jahre der Sklaverei und Folter hatten ertragen müssen, ehe es ihnen gelang zu entkommen.
    Eben dieser Fall brachte mich auf den Gedanken, ein gütiges Missionarspaar als Pflegeeltern für Nefret zu erfinden, deren leibliche Eltern – wie ich erklärte – kurz nach ihrer Ankunft an Krankheit und Entbehrungen zugrunde gegangen waren. Beschützt von ihrer treuen bekehrten Gemeinde, waren die gütigen Missionare dem Gemetzel der Derwische entronnen, hatten es aber nicht gewagt, ihr sicheres, abgelegenes Dorf zu verlassen, solange im Lande der Aufstand tobte.
    Emerson merkte an, daß die treuen bekehrten Gemeindemitglieder, soweit er informiert sei, für gewöhnlich die ersten waren, die ihre Geistlichen in den Kochtopf steckten, aber ich hielt meine Geschichte für höchst glaubhaft. Und nach den Reaktionen zu urteilen, erging es der Presse genauso. Wo immer möglich, war ich bei der Wahrheit geblieben – eine wichtige Regel beim Erfinden von Geschichten –, und es gab keinen Grund, bei den Einzelheiten der Wüstendurchquerung zu schwindeln. Gestrandet in der Einöde, verlassen von unseren Dienern, unsere Kamele tot oder im Sterben … Es war eine dramatische Geschichte, und ich glaube, sie beschäftigte die Presse derart, daß niemand nach wichtigeren Details fragte. Ich erfand noch einen Sandsturm und einen Überfall nomadisierender Beduinen dazu, um die Sache abzurunden. Dem Journalisten, den wir am meisten fürchteten, konnten wir aus dem Weg gehen. Kevin O’Connell, der kühne junge Starreporter des Daily Yell befand sich gerade auf dem Weg in den Sudan, als wir das Land verließen, denn die Truppen rückten rasch vor, und die Wiedereroberung Khartums wurde jeden Tag erwartet. Ich mochte Kevin (Emerson mochte ihn nicht), doch wenn sich seine journalistischen Instinkte regten, traute ich ihm nicht über den Weg. Also war auch das geregelt. Doch die größte Schwierigkeit war Nefret selbst.
    Ich gebe freimütig zu, daß ich keine sehr mütterliche Frau bin. Allerdings wage ich die Vermutung, daß selbst die mütterlichen Instinkte der heiligen
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