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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod
Autoren: Elizabeth Peters
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kleines, niedriges Gebäude aus schmutzigen Lehmziegeln, das inmitten eines mit Abfällen übersäten Hofes stand. Die beiden Wände vor mir hatten weder Fenster noch Türen. Man mußte schon ein Sadist sein, um auch nur einen Hund in einem solchen Verschlag zu halten …
    Ich schluckte und drehte mich nach meinem treuen Vorarbeiter Abdullah um, der dicht hinter mir herkroch. Er schüttelte warnend den Kopf und legte den Finger an die Lippen. Mit einem Handzeichen gab er mir zu verstehen, was er mir sagen wollte: Das Dach war unser Ziel. Er half mir hinauf und folgte mir dann.
    Ein bröckeliges Sims schützte uns vor Blicken, Abdullah atmete keuchend. Er war ein alter Mann, und die Sorge und Anstrengung forderten allmählich ihren Tribut. Aber ich hatte keine Zeit, ihn zu bemitleiden – was ihm auch nicht recht gewesen wäre. Ohne innezuhalten, kroch er zur Mitte des Daches, wo sich eine kleine Öffnung von etwa dreißig Zentimetern Durchmesser auftat. Sie war mit einem rostigen Eisengitter gesichert, das an einem Vorsprung dicht unter dem Dach befestigt war. Die Stäbe waren dick und standen eng beieinander.
    Sollten die langen Tage der Sorge zu Ende sein? War er in diesem Haus? Die letzten Sekunden, ehe ich die Öffnung erreichte, kamen mir unendlich lang vor. Doch sie waren nicht das schlimmste. Das sollte erst noch kommen.
    Die zweite Lichtquelle in dem stinkenden Loch dort unten war ein Spalt über der Tür. Im dämmerigen Dunkel erblickte ich in der gegenüberliegenden Ecke eine reglose Gestalt. Ich kannte diese Gestalt. Ich hätte sie in der finstersten Nacht wiedererkannt, obwohl ich ihre Gesichtszüge nicht ausmachen konnte. Mir schwindelte. Dann fiel ein Strahl der untergehenden Sonne durch die kleine Öffnung und auf ihn. Er war es! Meine Gebete waren erhört worden! Aber – oh, Himmel – waren wir zu spät gekommen? Steif und reglos lag er ausgestreckt auf der schmutzigen Pritsche. Sein Gesicht, gelb und starr, ähnelte einer wächsernen Totenmaske. Angestrengt versuchte ich, ein Lebenszeichen an ihm zu entdecken, Atemzüge … und sah nichts.
    Doch das war noch nicht das schlimmste. Es sollte erst noch kommen.
    Ja, in der Tat könnte ich, wenn ich mich der verachtenswerten Mittel bedienen würde, die der jungen Dame vorschwebten, die Geschichte so weitererzählen …, aber ich weigere mich, die Intelligenz meines (noch) hypothetischen Lesers zu beleidigen. Und deswegen fahre ich mit meiner Erzählung in der ursprünglichen Chronologie fort. Wie ich bereits sagte: »Welch rasende Verfolgungsjagden! Welch Kämpfe um die Freiheit! Welch wilde Verzückung!« Selbstverständlich meinte Keats das in einem anderen Zusammenhang. Trotzdem bin ich schon oft verfolgt worden (manchmal rasend) und habe (erfolgreich) mehr als einmal um meine Freiheit gekämpft. Und auch der letzte Satz ist durchaus zutreffend, auch wenn ich es selbst ein wenig anders formuliert hätte.
    Verfolgungsjagden, Kämpfe und das andere, obengenannte Gefühl nahmen in Ägypten ihren Anfang, wo ich zum erstenmal auf die alte Zivilisation traf, die Inhalt meines Lebenswerks werden sollte, und dem Mann begegnete, der es mit mir teilen würde. Die Ägyptologie und Radcliffe Emerson! Diese beiden sind untrennbar miteinander verbunden, nicht nur in meinem Herzen, sondern auch in den Augen aller namhaften Wissenschaftler. Man kann durchaus sagen – und ich habe es schon oft gesagt – , daß Emerson die Ägyptologie geradezu verkörpert und der beste Forscher aller Zeiten ist. Als ich das schrieb, standen wir an der Schwelle eines neuen Jahrhunderts, und ich bezweifelte nicht, daß Emerson dem zwanzigsten ebenso seinen Stempel aufdrücken würde wie dem neunzehnten. Wenn ich noch hinzufüge, daß Emersons körperliche Merkmale unter anderem saphirblaue Augen, dicke, rabenschwarze Locken und eine Figur einschließen, die schlichtweg das Sinnbild männlicher Kraft darstellt, wird der einfühlsame Leser begreifen, warum unsere Verbindung so durch und durch befriedigend ist.
    Emerson verabscheut seinen Vornamen aus Gründen, die ich nie nachvollziehen konnte. Ich habe ihn nie danach gefragt, denn ich rede ihn lieber auf eine Weise an, die von unserer Freundschaft und Gleichberechtigung zeugt und die in mir liebevolle Erinnerungen an die ersten Tage unserer Bekanntschaft wachruft. Ebenso verabscheut Emerson Titel. Diese Abneigung hat ihren Ursprung in seiner radikalen Weltanschauung. Er beurteilt einen Mann (und eine Frau, wie ich wohl kaum
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