Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
schrecklichen Schicksal bewahren konnten. Ihr verstorbener Vater hatte sie, was sehr treffend war, »Nefret« genannt, denn das alte ägyptische Wort bedeutet »schön«. Bei ihrem Anblick verschlug es Ramses die Sprache – ein Zustand, den ich bei ihm nie erwartet hätte –, und er verharrte fortan in diesem Zustand.
    Mich erfüllte das mit den düstersten Vorahnungen. Ramses war zehn, Nefret dreizehn, doch der Altersunterschied würde sich ausgleichen, wenn sie erst erwachsen waren. Außerdem kannte ich meinen Sohn zu gut, um seine Empfindungen als jugendliche Schwärmerei abzutun. Sein Gefühlsleben war von Leidenschaft bestimmt, sein Charakter (um es milde auszudrücken) dickköpfig. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war nicht mehr daran zu rütteln. Er war unter Ägyptern aufgewachsen, die körperlich und emotional früher reif sind als ihre kühlen englischen Altersgenossen. Einige seiner Freunde hatten schon mit dreizehn Jahren Kinder gezeugt. Und dann noch die dramatischen Umstände, unter denen er dem Mädchen begegnet war …
    Wir hatten nicht einmal von ihrer Existenz gewußt, ehe wir das kahle, von einer Lampe erleuchtete Zimmer betraten, wo sie uns erwartete. Sie so zu sehen, in ihrer strahlenden Jugend, mit ihrem rotgoldenen Haar, das ihr über das schimmernde, weiße Gewand fiel; das tapfere Lächeln, mit dem sie den Gefahren trotzte … Nun, selbst mich hatte das tief beeindruckt.
    Wir reisten mit dem Mädchen zurück nach England und nahmen sie in unsere Familie auf. Das war Emersons Idee. Und ich muß zugeben, daß uns eigentlich keine andere Wahl blieb, denn ihr einziger lebender Angehöriger war ihr Großvater, der so tief dem Laster verfallen war, daß er sich nicht einmal zum Vormund für eine Katze, geschweige denn eines jungen Mädchens geeignet hätte. Wie Emerson Lord Blacktower davon überzeugte, den Anspruch auf sie aufzugeben, wollte ich gar nicht wissen. Ich bezweifle, daß »überzeugen« das richtige Wort ist. Blacktower lag im Sterben (und brachte das tatsächlich einige Monate später hinter sich), sonst hätte Emersons beachtliche Sprachfertigkeit wahrscheinlich nichts ausrichten können. Nefret klammerte sich an uns – nur bildlich gesprochen, sie war ein zurückhaltendes Kind –, denn wir waren die einzigen Vertrauten in einer Welt, die ihr so fremd vorkommen mußte wie mir das Leben auf dem Mars (falls es dort Leben gibt). Alles, was sie über unsere moderne Gesellschaft wußte, hatte sie entweder von uns oder aus den Büchern ihres Vaters erfahren. Und in dieser Welt war sie nicht die Hohepriesterin der Isis, die Verkörperung einer Göttin, sondern ein völlig bedeutungsloses Wesen – nicht einmal eine Frau, was bei Gott schon bedeutungslos genug ist, sondern ein weibliches Kind. Ein wenig höher angesiedelt als ein Haustier und auf einer beträchtlich niedrigeren Stufe als jeder Mann, ganz gleich welchen Alters. Emerson hätte nicht weiter auszuführen brauchen (obwohl er es bis ins Detail tat), daß wir uns besonders gut dazu eigneten, ein junges Mädchen zu erziehen, das unter solch außergewöhnlichen Umständen aufgewachsen war.
    Emerson ist ein bemerkenswerter Mann, aber doch nur ein Mann. Ich glaube, dazu muß ich nichts weiter sagen. Nachdem er seine Entscheidung gefällt und mich überredet hatte, sie zu billigen, wies er alle düsteren Vorahnungen von sich. Emerson würde nie zugeben, düstere Vorahnungen zu haben, und er wird wütend, wenn ich meine zur Sprache bringe. Und in diesem Fall hatte ich eine ganze Menge.
    Was mir besonderes Kopfzerbrechen bereitete, war die Frage, wie wir erklären sollten, wo Nefret sich die letzten dreizehn Jahre lang aufgehalten hatte. Allerdings machte das nur mir Sorgen, denn Emerson versuchte, das Problem zu ignorieren, wie er es mit allen Problemen tut. »Warum sollten wir irgend etwas erklären? Wenn sich jemand erdreisten sollte zu fragen, sag ihm, er soll sich zum Teufel scheren.«
    Glücklicherweise ist Emerson vernünftiger, als er oft klingt, und schon ehe wir Ägypten verließen, war er bereit zuzugeben, daß wir uns irgendeine Geschichte ausdenken mußten. Wenn wir in Begleitung eines Mädchens von offensichtlich englischer Abstammung aus der Wüste zurückkamen, würde das sogar den Dümmsten neugierig machen. Außerdem mußte man ihre Identität preisgeben, wenn sie das Vermögen ihres Großvaters erben wollte. Darüber hinaus enthielt ihre Lebensgeschichte alles, was das Herz eines Reporters erfreut –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher