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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
Autoren: Elizabeth Peters
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darzulegen.
    Die frühesten Särge waren einfache Holzbehältnisse, eher quadratisch als rechteckig, da die enthaltenen Leichname in eine gekrümmte oder embryonale Stellung gebracht worden waren. Im Laufe der Zeit wurden die Holzoberflächen innen und außen bemalt und/oder magische Zeichen und religiöse Symbole eingeschnitzt. Im Mittleren Reich (etwa 2000-1580 vor Christus) waren die Särge verlängert worden, und es gab normalerweise zwei von ihnen. Der sogenannte anthropoide Sarg, der die Form der darin bestatteten Mumie aufwies, tauchte erst im Neuen Reich (schätzungsweise 1580-1090 vor Christus) auf. Die Wohlhabenden waren in bis zu drei dieser Sarkophage eingebettet, von denen jeder kleiner war als sein Vorgänger und die, wie die russischen Babuschka-Puppen, exakt ineinanderpaßten; und dieses Gebilde war manchmal noch zusätzlich von einem Steinsarkophag umgeben. Das zum Thema Wiedergeburt, mit dem sich diese liebenswerten, aber auch naiven Heiden ausschließlich beschäftigten! (Dessen Sinn sie jedoch darin sahen, würde ein Moralist jetzt behaupten, daß ein in dieser Form konservierter Körper vermutlich länger überdauerte als ein der heißen, trockenen Luft und dem Wüstensand ausgesetzter.)
    Aufgrund der Abbildungen in den Zeitungen und der mir von meinem geschätzten Gatten geläufigen Forschungsarbeit war ich in der Lage, besagten Sarkophag der 19. Dynastie zuzuordnen. Der Künstler hatte das Haupt mit einem affektiert lächelnden Ausdruck gestaltet, dennoch waren die Details charakteristisch für jene Ära – der schwere Kopfschmuck, die über der Brust gekreuzten Arme, die üblichen religiösen Symbole und Hieroglypheninschriften. Die Abbildungen gaben diese nicht deutlich genug wieder, doch ein Reporter – ein Berufsrivale von Mr. O’Connell – hatte eine Kopie von ihnen angefertigt. Ich erkannte die Standardfloskel, die sich an den Gott des Totenreiches wandte: »Anrufung Osiris, Herr von Busiris, etcetera, etcetera, durch die Sängerin der Isis, Henutmehit …«
    Also war die Dame (sie war jedenfalls weiblichen Geschlechts) keine Prinzessin oder Priesterin eines dunklen und geheimnisvollen Kultes. Das hatte ich aufgrund der Form des Sarges bereits vermutet; ihre Titel bestätigten das, doch obgleich sie sicherlich eine Anstellung in einem kleinen Tempel innegehabt hatte, unterschied sie sich von anderen Sterblichen nicht mehr als die Gattin oder Schwester eines heutigen Angestellten. Warum sollte ausgerechnet dieser unbedeutende, wenn auch hübsche Sarkophag der Auslöser für Tod und Gefahr darstellen?
    Wie von Emerson bereits angedeutet, lag die Antwort in den umtriebigen Gehirnen der Reporter. O’Connell war nicht der einzige, der sich wie ein Aasgeier auf die Geschichte gestürzt hatte; seine Phantasie und sein schauerlicher Sprachduktus wurden lediglich von einem Konkurrenten erreicht, wenn nicht sogar übertroffen. Es handelte sich um einen gewissen M. M. Minton, der für den Morning Mirror schrieb. Dieser hatte den Erfindungsreichtum besessen, eine junge Person zu interviewen, die (so behauptete sie jedenfalls) für den verblichenen Grafen tätig gewesen war. Auf Befragen von Mr. Minton hatte sie sich daran erinnern können, daß sie »das immer so rasch wie möglich hinter sich brachte«, wenn sie den Raum mit dem Mumienschrein hatte staubwischen müssen. In besagtem Zimmer hatte sie zerbrochene Vasen und sonstigen Nippes vorgefunden; bei Vollmond waren schauerliches Schreien und Stöhnen daraus hervorgedrungen.
    Das war natürlich ebensolcher Unfug wie die Geschichten über Unfälle, die den Museumsbesuchern zugestoßen waren. Sehr viel interessanter für einen Beobachter der menschlichen Psyche wie mich war die Wirkung, die die Reportage bei schwachbesaiteten Gemütern hinterließ. Einige hatten Blumen vor das Exponat gestellt oder dem Museum aus selbigem Anlaß Geld gespendet. Andere hatten geschrieben, daß sie ähnlich mysteriöse Erfahrungen gemacht hätten. Ein zwielichtiges Medium hatte behauptet, mit dem Geist der Prinzessin (soso) Henemut (haha) zu kommunizieren, die erklärt habe, die Verantwortlichen und Treuhänder des Museums hätten ihr Schamgefühl verletzt, indem sie sie der Öffentlichkeit zur Schau stellten. (Ein ungerechtfertigter Vorwurf, gelinde gesagt, da sie in ihrem Sarkophag und eingewickelt in Bandagen weitaus züchtiger verhüllt war als manch eine ihrer Besucherinnen.) Sie verlangte, in ihr Grab überführt zu werden. Da dessen Ursprungsort unbekannt
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