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Ambler by Ambler

Ambler by Ambler

Titel: Ambler by Ambler
Autoren: Ambler by Ambler
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betrachtete wieder die Papierstreifen. »Zumindest sieht es nicht so aus. Aber das Bewußtsein haben Sie verloren.«
    »Bloß für ein paar Sekunden.«
    »Nein. Vermutlich länger. Vielleicht zwei oder drei Minuten.«
    »Also, mir geht’s jetzt schon besser. Wenn ich meine Sachen wieder haben könnte, würde ich gerne ein Taxi bestellen und nach Hause fahren. Ich wohne in der Nähe von Montreux.«
    »Ist da jemand, der Sie versorgen kann? Ihre Frau vielleicht?«
    Achtung, Fangfrage!
    »Meine Frau ist für ein paar Tage in London.«
    »Ach ja, natürlich. Sie hatten ja schon gefragt, ob Sie sie anrufen könnten. Ich werde sehen, was sich machen läßt.«
    »Unsere femme de ménage kommt jeden Morgen. Und von zu Hause aus kann ich viel leichter telefonieren. Es wird schon gehen.«
    »Wie lange leben Sie schon in der französischen Schweiz?«
    »Vierzehn oder fünfzehn Jahre.«
    »Ist es Ihnen immer so schwergefallen, Französisch zu sprechen, die richtigen Wörter zu finden und sie auszusprechen?«
    »Ja«, sagte ich mit fester Stimme, und dann, als er nicht reagierte, stammelte ich weiter: »Sehen Sie, ich denke immer auf englisch. Das kommt vermutlich daher, daß es mein Beruf ist, auf englisch zu schreiben.«
    »Aber Sie verstehen mühelos, wenn man auf französisch mit Ihnen spricht?«
    »Oh ja.«
    »Und einer meiner Kollegen sagt, daß Sie beim Sprechen keine Schwierigkeiten haben, wenn Sie Englisch sprechen.«
    »Ja, schon möglich. Wenn ich Französisch spreche, dann spreche ich tatsächlich langsam, weil ich nach jedem Wort suchen muß.«
    »Ist das immer so?«
    »Ja.«
    Er lächelte wieder, diesmal aber bekümmert. Wir beide wußten jetzt, daß ich nicht die Wahrheit sagte, weder auf englisch noch auf französisch. Wir beide wußten auch, daß irgendetwas nicht stimmte. Der Unterschied zwischen unseren Gedanken bestand darin, daß er meine Beschwerden als amnestische Aphasie diagnostiziert hatte und mehr oder weniger wußte, was dagegen zu tun war, während ich mit meiner uralten Angst vor Krankenhäusern nach Hause wollte, um dort in den forensisch-medizinischen Fachbüchern über die Begleiterscheinungen von Gehirnerschütterung nachzulesen. Gottseidank aber hatte er beschlossen, meinem verworrenen Gerede von irgendwelchen Taxis nach Montreux ein Ende zu setzen.
    »Gehirnzellenschädigung infolge von Erschütterung«, sagte er, »ist wie eine Prellung. Und wenn alles gutgeht, wird es allmählich wie eine Prellung verheilen. Es ist aber ein langsamer Prozeß. In den Anfangsstadien besteht die Gefahr einer Blutung, die zu schweren und bleibenden Schädigungen des Gehirns führt, unter Umständen sogar zum Tod. Sie sollten mindestens vierundzwanzig Stunden hier im Krankenhaus bleiben. Morgen werde ich wieder nach Ihnen sehen. Heute nacht können Sie in eine andere Station verlegt werden. Und ich werde Anweisung geben, daß Sie kurz mal telefonieren dürfen. Gute Nacht!«
    Kurze Zeit später wurde ich von den Apparaten losgemacht, auf ein Bett gehoben und aus der Intensivstation gerollt. Im Korridor war ein Diensttelefon, von dort konnte ich ein Ortsgespräch führen. Ich rief einen Nachbarn an, der mir versprach, meiner Frau auszurichten, daß es mir gut ginge. Dann wurde ich in die Notaufnahmestation gebracht.
    Die Nachtschwester hatte gerade den Dienst übernommen, das Licht war schon heruntergedreht, aber es war noch nicht ganz dunkel. Neben meinem zählte ich neun Betten. Ich war als letzter hereingebracht worden. Meine Zimmergenossen lagen dort entweder zur Beobachtung nach einem Unfall (wie ich), oder es waren besondere Fälle, die besondere ärztliche Betreuung brauchten. Nachts schliefen die meisten von ihnen, vielleicht nicht gerade gut, sicher nicht friedlich, aber immerhin schliefen sie, und darum beneidete ich sie. Nicht mal dösen konnte ich. Die ganze Nacht hindurch, in regelmäßigen Abständen von etwa einer halben Stunde, machte die diensthabende Schwester ihren Rundgang, um überall nach dem Rechten zu sehen. Zwei Patienten hingen an einem Tropf, und dort kontrollierte sie die Flaschen mit der kleinen Taschenlampe, die sie bei sich hatte. Bei mir nahm sie statt ihrer Taschenlampe ein Ophtalmoskop. Sie trat dann ans Bett, knipste das Licht im Instrument an und sah durch die Linse in meine Augen. Dabei sagte sie kein Wort. Sie sah nur sehr genau zuerst in das rechte und dann in das linke Auge. Dann nickte sie mir immer beruhigend zu und knipste das Licht aus. Mit einer kleinen Handbewegung
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