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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition)
Autoren: Rafael Chirbes
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die Eichel zu waschen, und ich reibe den Teil ab, der reibend in den Körper meinerMutter eingedrungen ist, Ursprungstopografie meiner selbst, Genese der Falten in meinem Gesicht, die von meiner Fettleibigkeit vertuscht werden, und dieser Fleckenlandschaft auf meinem Handrücken, die immer mehr der seinigen ähnelt. Mein Vater beugt den Kopf und schaut auf meine behandschuhte Hand mit einer Bestürzung, von der ich nicht weiß, was sie verbirgt; es kommt mir so vor, als ob mit jedem Tag die kleinen Warzen auf seiner Haut mehr werden – der Rücken, die schrumpelig geröteten Gesäßbacken, wie bei einem Neugeborenen –, erstaunlich zart die Haut der Oberschenkel und marmorartig an den von der Kleidung verdeckten, nicht der Sonne ausgesetzten Stellen, aber nicht wie Marmor von Paros oder von Macael, sondern wie ein Marmor, der über Jahrhunderte den Elementen ausgesetzt war, auf den es geregnet hat, gegen den der Wind geschlagen ist, ihm Porosität beigebracht, ihn abgetragen und mit einer Patina von gestockter Milch versehen hat. Ich wische mit dem harten Schwamm über sein Geschlechtsteil, ein Schwamm, der eher kratzt als reibt. Ich beginne ganz vorsichtig, streife kaum das Fleisch, das sich um das Gehänge in der Leiste kräuselt, werde dann aber energischer, geradezu heftig. Dort, wo ich reibe, färbt sich die Haut, sie wird nicht rot oder rosig, sondern zeigt Flecken, bläulich oder intensiv gelb, jodfarben, Spuren von stehen den oder nur langsam fließenden Säften, zurückgehaltenen menschlichen Treibstoffen. Die Warzen meines Vaters erinnern mich an die, welche mir seit einiger Zeit am Halsansatz sprießen, unter den Achseln und an der Innenseite der Schenkel. Ja, wenn ich dusche, schaue ich in den Ganzkörperspiegel im Bad und erblicke darin den Waschbeckenspiegel, in dem ein milchiger, gesprenkelter Rücken zu sehen ist. Das ist meine Haut, sie ist genauso leichenfahl wie seine. Jetzt hebt sich meine gebräunte Hand schamlos von der weißen Haut des Mannes ab, der sich mit einem leichten, rhythmisch wiederholten Wimmern beklagt. Ich weiß schon, dass ich dir wehtue, aber man muss das richtig säubern, sage ich, während ich weiter kräftig an den Stellen reibe, die von der Windel bedeckt waren. Wir müssengründlich all diesen Dreck, der in die Poren dringt, wegbekommen. Wie ein Neugeborener sollst du aussehen. Wenn es nach ihm ginge, würde ich ihn nie duschen. Seitdem er Anzeichen von Verwirrung zeigt, also schon vor der Operation der Speiseröhre, flieht er das Wasser, der Kampf beginnt, sobald er merkt, dass ich ihn auf den Gang zum Badezimmer schiebe. Es ist eine Marter, ihn zu entkleiden, er wehrt sich, schließt die Arme, damit ich ihm nicht die Pyjamajacke ausziehen kann, er tritt um sich, wenn ich die Hose runterziehen will. Er wird verdrießlich, sobald ich ihm morgens sage, jetzt ist Zeit für die Dusche. Jede Berührung scheint ihn zu schmerzen, jeder Druck, und er jammert, wenn ich ihn am Ellbogen nehme und ihn zwinge, die Arme zu heben, damit ich die Achseln waschen kann. Die Arme zu strecken tut ihm weh, es schmerzen die Muskeln – die spärliche Muskelmasse – und die Gelenke. Obwohl ich ihm zu seiner Bequemlichkeit möglichst Pyjamahosen anziehe, bei denen man nur das Band am Bund lösen muss, damit sie her unterfallen, und ich ihm den Morgenmantel überwerfe, im Sommer ein leichtes Stück, das seine fleckigen Beine frei lässt. Ich betrachte seine runzligen Hände, krumme Finger, Hornhaut, ungleichmäßige, deformierte Fingerkuppen, die Werkzeughände, die so oft meine Hände in ihrem Zangengriff hatten: bei der Linken fehlt die Kuppe des Daumens, bei der Rechten die des Zeige- und Mittelfingers. Auch mir fehlt eine Daumenkuppe, an der rechten Hand, und ein Stück des linken Ringfingers, an der rechten Hand ist der Zeigefinger zerquetscht. Kennt man denn einen Zimmermann, der nicht solche kleinen Verstümmelungen hat, gutartige Wunden eines friedlichen Berufs, der gute Joseph. Ich schaue auf seine Hände, die geschickt und stark waren, streichle sie verschämt, so als wüsche ich sie nur, aber ich streichle sie. Ich zügle den Wunsch, sie zu küssen. Heutzutage haben die Hände an Bedeutung verloren, die früher so respektierte Geschicklichkeit ist als Wert im Verschwinden begriffen, Maschinen erledigen die Arbeit, oder sie wird irgendwie ausgeführt, schlecht oder recht kann sich jeder daran machen, man musssich nur ansehen, wie uns der Kaffee oder das Bier in der Bar serviert wird,
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