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Am Sonntag stirbt Alison

Am Sonntag stirbt Alison

Titel: Am Sonntag stirbt Alison
Autoren: Katja Klimm
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doch!«, empörte sich Sibel.
    »Ich weiß nicht.« Leo starrte nachdenklich die Straße hinunter, auf der sich gerade der alte Laster der Autowerkstatt Özcelik näherte. »Weißt du, wenn alles anders gewesen wäre und Alison und ich wirklich zusammengekommen wären und gemeinsam Abi gemacht hätten… ich glaube nicht, dass wir dann heute noch zusammen wären. Ich meine, wie viele Leute, die in der Schule ein Paar sind, heiraten später? Nein, bestimmt hätten wir uns längst getrennt und ich wäre mit einer anderen Frau zusammen. Dass ich Alison nie loslassen konnte, lag einfach daran, dass ich nicht wusste, was aus ihr geworden ist. Jetzt weiß ich es und ich weiß, dass es ihr gut geht. Jetzt muss ich anfangen, mein Leben zu leben, ohne sie.«
    »Ich fände es trotzdem romantischer, wenn du sie suchen würdest«, maulte Sibel.
    Sebastian grinste. »Was denkt ihr, wo sie jetzt hingehen wird – Alison, meine ich.«
    »Wer weiß – vielleicht führt sie in ein paar Jahren ja irgendwo unter einem anderen Namen ein völlig normales Leben«, sagte Herr Thieler. »Mit einem Job, vielleicht sogar mit einer Familie.«
    »Oder sie kehrt nach Mexiko zurück und kämpft dort weiter gegen das Drogenkartell«, sagte Sibel mit funkelnden Augen.
    »Ach, das kann ich mir nicht vorstellen«, meinte Leo.
    »Aber es wäre ziemlich cool«, sagte Sebastian lachend.
    »Und ihr?«, fragte Leo. »Was werdet ihr jetzt machen?«
    »Meinem Chef irgendwie erklären, warum ich ’ne ganze Woche gefehlt habe«, seufzte Sebastian. »Na ja, wenigstens kann ich für die letzten vier Tage eine Krankmeldung liefern.«
    »Die Ferien genießen. Zur Maniküre gehen. Neue Schuhe kaufen«, verkündete Sibel würdevoll. Die Polizei hatte ihr die teuren Stiefel zwar zurückgebracht, doch irgendwer hatte wohl seinen Kaffee darübergeleert. Als Sibel sie gesehen hatte, war sie zurückgezuckt und hatte entsetzt gemeint, so etwas könne sie nicht mehr anziehen.
    »Und was ist mit dir?«, fragte Leo Lys.
    »Das ist wohl leider nicht meine Entscheidung«, murrte die. »Mein Vater lässt mich vermutlich die nächsten drei Monate keine fünf Sekunden mehr aus den Augen.«
    »Tja, selbst schuld nach allem, was du angestellt hast…«, meinte Sibel schadenfroh.
    »Aber… es wird dir doch gut gehen, oder?«, fragte Leo.
    »Ja. Ja, natürlich«, sagte Lys und wurde rot. »Es geht mir gut. Immer.«
    Sie verabschiedeten sich, während Herr Özcelik den Laster in die einzige dafür infrage kommende Parklücke manövrierte. Leo meinte, sie sollten ihn doch mal in Kanada besuchen. Das, fanden alle, war eine tolle Idee, bis auf Sibel, die ihnen einen Vortrag über Flugpreise hielt. Dann lief Leo den Weg zurück, den er gekommen war, und verschwand durch die Eingangstür des Krankenhauses.
    Herr Özcelik stieg aus und klappte die Rampe aus, während Cem den Motorroller zur Ladefläche schob. »Komm, Lys, wir gehen dann zum Auto«, forderte Herr Thieler seine Tochter auf.
    »Ähm… fährst du mit uns?« Lys warf Sebastian einen extrem beiläufigen Blick zu. »Ich meine, im Laster ist es doch ziemlich eng…«
    »Oh. Ja. Gerne.« In Sebastians Gesicht schien geradewegs die Sonne aufzugehen.
    Sibel verschränkte die Arme, während ihr Blick von Lys zu Sebastian wanderte. »Lys, ich muss sagen, Leos Worte eben haben den Kern getroffen, wenn du verstehst, worauf ich hinauswill.«
    »Was?«, fragte Sebastian erstaunt, doch Lys verzog zerknirscht das Gesicht. »Ich weiß«, murmelte sie. »Ich muss das auch tun. Loslassen, meine ich. Hat die Schulpsychologin auch schon hundertmal gesagt. Ich kann mein Leben nicht ewig von Mamas Tod bestimmen lassen. Aber weißt du, Sibel, das ist nicht so einfach, wie du denkst.«
    »Lys, das war es überhaupt nicht, was ich gemeint habe.« Sibel schüttelte heftig den Kopf.
    »Was dann?«
    »Na, die Sache, dass Beziehungen, die zu Schulzeiten eingegangen werden, in der Regel nicht lange halten.« Sie sah erneut von Lys zu Sebastian und von Sebastian zu Lys. »Dem Schicksal sei Dank, kann ich da nur sagen.« Dann wandte sie sich ab und stolzierte auf das Führerhaus des Lasters zu.
    »Eines Tages erwürge ich sie«, stellte Sebastian fest.
    Lys lachte nur. Sie nahm Sebastians Hand und zog ihn auf das Auto ihres Vaters zu.
    ***
    Wolfgang Berghäuser setzte sich an den Tisch und sah den Mann gegenüber mit großen Augen an. Blonde kurze Haare, ein blasses Gesicht und ein seltsam leeres Lächeln auf den Lippen. Verwirrt blickte er zur Tür
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