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Am Sonntag stirbt Alison

Am Sonntag stirbt Alison

Titel: Am Sonntag stirbt Alison
Autoren: Katja Klimm
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keine Chance bei dir hat?«, stöhnte Sibel.
    »Hä? Du denkst doch nicht, dass… Sibel, Quatsch, Sebastian ist nicht… verknallt in mich oder so was.«
    Sibel kicherte. »Darf man lachen? Der Fußballheini belauert dich auf Schritt und Tritt, und das mit einem Augenaufschlag wie ein liebeskranker Neufundländer.« Dann schien sie einen Moment nachzudenken. Eine Falte entstand auf ihrer makellosen Stirn. »Du darfst ihm auf keinen Fall falsche Hoffnungen machen. Sonst wirst du den Deppen nie los.«
    Lys stöhnte. »Sibel, das hat mit Liebe nichts zu tun! Es ist nur…«
    Sibel warf ihr einen spöttischen Blick zu. »Was? Kumpelhafte Freundschaft? Oh, Lys, du bist echt naiv.«
    Lys antwortete nicht.
    »Na ja, egal, jedenfalls…« Mit einer eleganten Drehung nach rechts blieb Sibel stehen. »Ich gehe hier lang, ich muss noch Eisschirmchen besorgen. Bis heute Abend dann.« Sibel streckte einen rot lackierten Fingernagel in Lys’ Richtung. »Und sei pünktlich.«
    »Ähm… wieso? Was ist heute Abend?«, fragte Lys irritiert.
    »Oh, lass mich nachdenken. 22. Februar. Was könnte das für ein bedeutsames historisches Datum sein? Erste Mondlandung? Mauerfall? Entdeckung Amerikas?«
    Lys schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Deine Geburtstagsparty!«
    »Allerdings!«, sagte Sibel giftig. »Oder was denkst du, worüber ich in der letzten Viertelstunde geredet habe? Sieben Uhr! Wehe, du bist nicht pünktlich!« Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und lief die Straße hinunter mit diesem unnachahmlich eleganten, tänzelnden Schritt, für den jedes angehende Model seine Seele verkauft hätte.
    Lys starrte ihr nach und versuchte, sich auf Sibels letzte Worte zu konzentrieren, auf die bevorstehende Feier, auf Eisschirmchen, Musikboxen und zeternde Großmütter.
    Es funktionierte nicht. Wieder stahl sich derselbe Satz in ihre Gedanken.
    Sie stieß einen wütenden Fluch aus und stürmte weiter, die Straße hinunter.
    ***
    Es war sechs Uhr abends und in der Küche herrschte eine geisterhafte Stille, die nur gelegentlich vom Klappern des Bestecks oder dem Rumpeln einer Straßenbahn draußen vor dem Fenster unterbrochen wurde. Sie saßen am Küchentisch, Lys und ihr Vater, die aufgeklappten Pizzaschachteln zwischen sich, sodass man, wenn man den Blick nur etwas senkte, dem anderen nicht ins Gesicht sehen musste. Während sie schweigend ihre Pizza aß, dachte Lys daran, wie laut es früher an diesem Tisch zugegangen war. Manchmal hatte sie sich nur mit Gebrüll Gehör verschaffen können, weil man bei dem endlosen Gequassel ihrer Eltern sonst nicht zu Wort gekommen wäre. Damals hatte sie sich immer ein kleines bisschen Stille erhofft. Von wem stammte dieser Satz: Überlege dir gut, was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen?
    Stille hatte sie jetzt mehr als genug.
    Ihr Vater räusperte sich und klappte die Pizzaschachtel zu. »Lys«, sagte er. Verlegenheit in seinem Blick. Früher hatten sie sich so gut verstanden. Und jetzt war es immer so, als begegnete man einem Menschen, den man vor langer Zeit einmal gekannt hatte, der einem inzwischen aber völlig fremd geworden war.
    »Ja?«
    »Noch mal wegen meiner Dienstreise…«
    »Was ist damit?«
    »Ich… nun, ich hatte gar nicht daran gedacht, dass du ja Ferien hast…«
    Was bitte hatten ihre Ferien mit seiner Dienstreise zu tun?
    »Also, wenn es dir lieber ist, dann sage ich meinem Chef, dass ich nicht fahren kann. Ich meine, ich kann dich doch schlecht fünf Tage lang allein lassen… gerade jetzt…«
    Sorry, Boss, es wird nichts mit Wien. Ich muss mich um meine gestörte Tochter kümmern. Wenn ich sie fünf Tage lang allein lasse, dreht sie durch und springt vom Dach!
    »Papa!«, stöhnte Lys und verdrehte die Augen.
    »Nein, Lys, ich… ich mache mir Sorgen, wenn ich dich so lange allein lasse!«
    »Papa, das ist Quatsch!« Lys fühlte Wut in sich aufsteigen. Mein Gott, sie war doch nicht geistesgestört! »Ich komme sehr gut klar. Mann, du hast im letzten halben Jahr so viele Termine absagen müssen, irgendwann macht dein Chef das doch nicht mehr mit!«
    »Trotzdem. Das Wichtigste ist, dass…«
    »Ich habe gesagt, ich komme klar!« Lys’ Antwort fiel heftiger aus, als sie gewollt hatte.
    Ihr Vater schluckte hörbar. »Na gut. Wenn du meinst. Aber… wir telefonieren jeden Abend, abgemacht? Und wenn es Probleme gibt, rufst du mich sofort an.«
    »Ja, ja. Klar.« Lys hatte das Interesse an der Pizza endgültig verloren. »Ich… ich geh dann mal in mein
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