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Am Ende zählt nur das Leben

Am Ende zählt nur das Leben

Titel: Am Ende zählt nur das Leben
Autoren: Katja B.
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hatte er nicht nötig, dachte ich und fühlte mich einmal mehr hin- und hergerissen zwischen der Bewunderung für sein selbstbewusstes Auftreten und meinem Harmoniebedürfnis.
    Mit Cay allein fühlte ich mich jedenfalls wesentlich wohler.

Ein Wochenende bei Cay
    Als wir wieder ein gemeinsames Wochenende in Stuttgart verbrachten und eine Spritztour mit Cays Mini Cooper machten, hielt er plötzlich auf einem Kundenparkplatz.
    »Hier arbeite ich«, sagte er schlicht.
    »Eine Versicherung?«
    »So ähnlich. Ich bin Versicherungsmakler.«
    Warum ich ihn bisher nicht konkreter nach seinem Arbeitsplatz gefragt hatte, wunderte mich selbst, als wir schließlich vor dem Gebäude standen. Es hatte mir bisher immer genügt, wenn er von seiner Firmasprach, dem großen Unternehmen und seiner sicheren Position. Mir war sein Beruf irgendwie nicht wichtig, und er verlor von sich aus nie ein Wort darüber. Auch war er der Reifere von uns, und da fand ich es unpassend, ihn auszufragen. Beinahe war es mir so vorgekommen, als mache er ein Geheimnis daraus. Es störte mich nicht, denn die Hauptsache war, dass wir uns verstanden, unabhängig davon, was wir beide beruflich taten. Unsere gemeinsame Zeit war ohnehin immer zu kurz. Wir trafen uns alle drei bis vier Wochen, und ich vermisste seine Nähe, sehnte mich nach ihm. Wenn wir uns sahen, kosteten wir jede Minute aus, und Arbeit und Alltag rückten weit in die Ferne.
    Wenn er mich großzügig zu Wochenendreisen einlud, betonte er, dass es sich dabei um Schnäppchen handelte, die er im Internet gefunden hatte. Keine große Sache. Und dass er immer gut gekleidet war, schien mir selbstverständlich. Nun verstand ich, dass er offenbar ein erfolgreicher Versicherungsmakler war, der sein Leben genießen wollte. Mit mir an seiner Seite schien es ihm noch mehr Freude zu bereiten.
    »Wenn du willst, dann brauchst du in Zukunft nicht mehr zu arbeiten. Du kannst zu Hause bleiben und dich um unsere Kinder kümmern. Ich verdiene genug Geld«, sagte er und machte eine Handbewegung, als könne er die Mittel dafür aus dem Ärmel schütteln. Dabei lachte er ausgelassen, und ich wusste nicht, was ich von all dem halten sollte. Nahm er mich auf den Arm? Es wirkte ein wenig wie ein Test: Womöglich wollte er wissen, wie ich reagierte. Ich beschloss, ehrlich zu antworten.
    »Cay, darüber macht man keine Scherze. Du sollst wissen, dass ich eines Tages wirklich Kinder haben möchte.«
    »Ja klar, welche Frau möchte das nicht?«
    »Ist das deine Antwort?«
    »Ich weiß nicht. Ich kann mir das noch nicht vorstellen.«
    »Du hast die Wahl. Eines Tages musst du dich entscheiden, ob du Kinder willst oder nicht.«
    »Aber wir haben doch noch viel Zeit.«
    »Für mich ist es wichtig, Kinder zu bekommen, eine eigene Familie zu gründen und ein gemeinsames Zuhause zu haben. Mit allem Drum und Dran. Mit großen Familienzusammenkünften und Festen.«
    »Das hat Zeit.«
    Wenn Cay im Norden war, übernachteten wir in meinem Elternhaus, wo ich ja immer noch wohnte. Etwas anderes kam nicht infrage, und gleich bei meiner ersten Begegnung mit seinen Eltern in deren Haus verstand ich die Gründe dafür.
    Cay nahm mich mit, um mich wenigstens kurz seiner Mutter vorzustellen, wie er es nannte. Eigentlich wollte er nur etwas abholen, aber da ich ihn begleitete, blieb uns nichts anderes übrig als ein offizielles Bekanntmachen , vor dem nicht nur ich mich zu scheuen schien. Es wurde eine seltsame Begegnung.
    Cays Mutter begegnete mir mit kühler Distanz. Ich fühlte mich klein und unbedeutend. Fast kam ich mir vor wie ein Insekt, das sich in fremde Gemächer verirrt hatte. Schließlich war ich nur eine Arzthelferin, spielte nicht mal Golf und teilte auch sonst keine Interessen mit Cays Familie. Vielleicht erschien ich seinen Eltern ja auch zu jung?
    Jung und unsicher war ich allemal. Mir fehlte das Selbstbewusstsein, mich in solchen Kreisen zu bewegen. Am liebsten wäre ich auf der Stelle hinausgerannt und nie mehr hierher zurückgekommen.
    Cay suchte in aller Eile seine Sachen zusammen und nahm mich am Arm. »Komm, wir gehen«, sagte er und verabschiedete sich knapp von seinen Eltern.
    Ich war froh, als wir draußen waren. Bei uns zu Hause wurde man freundlich aufgenommen und in die Familie integriert, wie auch Cay es erfuhr, obwohl er sich nach wie vor distanziert verhielt. In Gegenwart seiner Mutter aber hatte ich irgendwie das Gefühl, etwas falsch zu machen und eine Versagerin zu sein. Falscher Beruf, falscher Sport,
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