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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages
Autoren: Robert Hültner
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Paul.«
    »Jaja.« Der Beamte schnaubte. »Sie sagen, Sie hätten Ihren Ausweis verloren …«
    Kajetan bestätigte mit einem Nicken. »Kann mir auch gestohlen worden sein. Hab keinen Dunst, ehrlich.«
    »… und dass Sies erst ein paar Monate später gemerkt haben und …«
    »Richtig.«
    »Redens mir nicht dauernd drein, ja? Wir sind hier auf einer Behörde und nicht in einer Judenschul, verstanden?«
    Kajetan lächelte beschwichtigend. »Entschuldigung.«
    »Möcht ich Ihnen auch geraten haben«, brummte der Beamte, nun ein wenig umgänglicher. »Dann … wo sind wir stehen geblieben?«
    »Bei meinem Ausweis.«
    »Ah ja. Sie möchten einen neuen Ausweis.«
    Kajetan nickte geduldig.
    »Weil Ihnen der alte gestohlen worden ist.«
    »So ist es.«
    Der Beamte beugte sich wieder über das Meldebuch.
    »Und Ihr Name ist Kajetan, Vorname Paul.« Er sah zweifelnd auf. »Kajetan schon mit K, oder?«
    »Mit K«, sagte Kajetan. »Wie sich’s gehört.«
    Der Beamte sah nicht auf.
    »Hmm … ja, aber …«
    Auf das, was jetzt folgen würde, war Kajetan vorbereitet. Vor einigen Monaten war auf dem Ostfriedhof ein Mann begraben worden, der in das Quetschwerk einer Kiesgrube in einem Münchner Vorort geraten war. Die grauenhaft zugerichtete Leiche konnte nur noch anhand von Fetzen seiner Papiere identifiziert werden. Die Ermittler hatten sie zusammengesetzt und gelesen: Paul Kajetan.
    Der Tote war in Wahrheit ein Kripo-Beamter gewesen, der sich den Nazis als Agent angedient und den Auftrag erhalten hatte, Kajetan zu liquidieren, nachdem ihnen dieser, wenn auch eher unabsichtlich, wiederholt in die Quere gekommen war. Ein Zufall hatte den Mordplan in letzter Minute vereitelt und den Agenten das Leben gekostet. Die misslungene Attacke auf sein Leben hatte Kajetan aber endgültig klar gemacht, dass er sofort aus der Stadt verschwinden musste. Wissend, dass die Leiche seines Gegners bei seinem Auffinden kaum noch zu identifizieren sein würde, hatte er ihr seinen Ausweis zugesteckt, sich aus der Stadt geschlichen und zu einem Dorf an der Grenze durchgeschlagen. Doch ein ungewöhnlich früher Wintereinbruch im Gebirge verhinderte, dass er sich über einen Schmugglerpfad ins Ausland davonmachen konnte. Kein Ausweg schien in Sicht. Dann aber versicherte ihm ein zuverlässiger Gewährsmann, dass seine bisherigen Gegner entmachtet oder tot waren und er gefahrlos wieder nach München zurückkehren konnte.
    Der schnaubende Atem des Meldebeamten holte ihn aus seinen Gedanken.
    »Aber das … das geht nicht!«, stieß er hervor.
    Kajetan gab den Ahnungslosen. »Wieso denn?«
    »Wieso, fragt er!« Sein Gegenüber warf seine Hände in die Höhe. »Weil Sie tot sind!«
    Kajetan bedachte sein Gegenüber mit einem entwaffnenden Schmunzeln. »Das meinens jetzt aber nicht ernst, gell?«
    »Im meinem Register ist es so vermerkt! Sie sind tot! Seit heuer, achtundzwanzigster August!« Er tippte erregt auf das Meldebuch. »Hier! Schwarz auf weiß! Tot!«
    »Jetzt hörens aber auf!« Kajetan zeigte gegen seine Brust. »Schau ich vielleicht wie ein Toter aus? Sie! Der erste April ist lang vorbei, und zum Fasching ists noch hin!«
    »Aber wenns doch da steht!«
    »Dann muss es ein Irrtum sein!«
    »Ausgeschlossen!« Das Gesicht des Meldebeamten hatte sich gerötet. »Sie, Herr – entweder sind Sie ein Schwindler und möchten mir einen Bären aufbinden, oder …«
    Kajetan stemmte seine Fäuste in die Hüften. »Schwindler?!«, sagte er scharf. »Also, das muss ich mir nicht sagen lassen!«
    Der Beamte verstummte für einen Moment. Er roch Autorität. »Aber … aber da muss doch ein Irrtum …« Er warf hilfesuchende Blicke um sich, um schwächlich zu enden: »Ich mein … das geht doch nicht gegen Sie, wenn ich sag, dass Sie tot sind …« Er schüttelte den Kopf. »Aber … aber Sie müssen sich täuschen, Herr.«
    »Darin, dass ich nicht tot bin?«
    »Da-dann … dann stimmt halt der Nam nicht!«
    »Ja, bin ich denn im Narrenhaus?«, fuhr Kajetan auf. »Ich werd doch wohl am besten wissen, wie ich mich schreib!« Der Beamte schnappte nach Luft. Er drosch mit der Faust auf sein Meldebuch. »Ein Bürger namens Paul Kajetan ist gestorben! Noch gestorbener geht gar nicht! Und wenns möchten, sag ich Ihnen auch noch die Sektion auf dem Ostfriedhof, wo sein Kommunalgrab ist!«
    Kajetan spielte den Fassungslosen. Als fehlten ihm nun endgültig die Worte, schüttelte er den Kopf. Schließlich lenkte er gefasst ein: »Bittschön, Herr. Schauens mich einfach
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