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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages
Autoren: Robert Hültner
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Geburtsname Giacomo Gaetano lautet. Übliche Schullaufbahn, Zensuren für ein Arbeiterkind über dem Durchschnitt, aber durchwachsenes Betragen. Danach Lehrzeit als Ziegelbrenner. Im Sechser Jahr nach Ableistung des Militärdienstes in die königliche Schutzmannschaft eingetreten, anschließend Übernahme in die Kriminalabteilung der Münchner Polizeidirektion. In den Jahren bis Kriegsbeginn in ungewöhnlich rascher Folge Beförderungen, zuletzt zum Kriminalinspektor. Danach mehrere Aufsehen erregende Ermittlungserfolge, unter vielen nur zu nennen der Tschurtschow-Fall, der Bohlen-Lewinski-Mord und der Einbruch in die Königliche Münze.« Rosenauer nahm die Brille ab und hob das Gesicht. »Sie galten als einer der besten Ermittler, Herr Kajetan. Wenn nicht sogar als der Beste.« Ein karges Schmunzeln umspielte seinen Mund. »Womit Sie sich nicht nur Freunde gemacht haben. Der alte Reingruber jedenfalls soll regelmäßig Gift und Galle gespuckt haben, wenn er bloß Ihren Namen gehört hat.« Er setzte die Brille wieder auf und fuhr fort: »Anschließend August 14 freiwillige Meldung zum Fronteinsatz, Frühjahr 15 Verdienstkreuz III, anschließend jedoch …«
    »Schon gut«, sagte Kajetan. »Hab verstanden.«
    »So?« Rosenauer sah ihn über den Rand seiner Brille an. »Und das wäre was?«
    »Dass Sie alles über mich wissen.«
    »Weshalb ich mir sparen könnte, Ihnen das vorzulesen? Das seh ich, mit Verlaub, anders. Für mich, der ich erst vor einigen Wochen die Leitung der Kriminalabteilung übernommen habe, ist das sogar äußerst interessant.« Rosenauer schickte ein bekräftigendes Nicken hinterher. »Im Übrigen würde ich Ihnen empfehlen, mich nicht zu unterbrechen, ja? Es sollte Ihnen klar sein, dass Ihre Angelegenheit mit der Bezeichnung ›heikel‹ nicht einmal annähernd treffend beschrieben ist.« Rosenauer schob seine Brille wieder gegen die Nasenwurzel und las weiter: »Es folgen eine Verwundung bei einem Artilleriegefecht bei Fort Doaumont. Diese ist zwar eher unerheblich und hinterlässt keine bleibende Beeinträchtigung …«, er schlug das Blatt um, »… zieht jedoch einen mehrmonatigen Aufenthalt in einem Sanatorium für Nervenleiden und anschließende Entlassung nach sich.« Er warf ihm einen scharfen Blick zu. »Eine Simulation?«
    Kajetan starrte ihn an. Rosenauer zuckte die Schultern. »Ist gar nicht so selten vorgekommen. Also?«
    »Muss ich drauf antworten?«
    »Ich empfehle grundsätzlich, auf jede meiner Fragen zu antworten.«
    »Auch wenn sie eine Beleidigung sind?«
    »In Ihrer Lage würde ich nicht die empfindliche Seele spielen«, sagte Rosenauer. »Ich habe das Recht zu erfahren, mit wem ich es zu tun habe, ja?«
    Kajetan schwieg.
    »Na gut.« Der Kripoleiter nickte bräsig. »Ich will das ausnahmsweise einmal als Antwort gelten lassen.« Er neigte sich wieder über den Personalakt und las murmelnd: »Eine mehrere Wochen andauernde vollständige Lähmung. Die Ärzte vermuteten einen Nervenschock als Auslöser …«
    »Ist lang her«, unterbrach Kajetan gereizt.
    Rosenauer ignorierte seinen Einwurf und las weiter. »… aber wie es scheint, sind Sie wieder vollständig gesund geworden, denn anschließend können Sie wieder den Dienst in der Kriminalabteilung aufnehmen … hm … sogar mit frischer Energie und wiederum guten Erfolgen … hm …« Er sah auf. »Dann aber scheint Sie irgendwann der Hafer gestochen zu haben, was? Die Beurteilungen durch Ihre Vorgesetzten werden jedenfalls reservierter. Wies scheint, haben Sies gegenüber einigen Vorgesetzten und Kollegen öfters an Respekt fehlen lassen.«
    Kajetan zuckte die Achseln.
    Der Finger des Kripoleiters glitt wieder über die Zeilen. »Hm … von den Ermittlungen im Mordfall Ministerpräsident Eisner werden Sie – offensichtlich auch auf staatsanwaltschaftliches Betreiben hin – ferngehalten, obwohl diese eigentlich in Ihr Ressort gefallen wären. Bald darauf geraten Sie mit einem meiner Vorgänger aneinander, dem sie mit Ihren Hypothesen über eine Offiziersverschwörung gegen den Präsidenten gehörig auf die Nerven gegangen sein müssen. Nach dem Einmarsch der Weißen beginnen Sie noch mit Ermittlungen zur Ermordung eines Redakteurs der ›Süddeutschen Freiheit‹. Wobei Sie einen hochrangigen Offizier der Weißen Garden ins Visier nehmen, was das Fass offensichtlich zum Überlaufen bringt. Ihre Karriere endete jedenfalls abrupt, und Sie werden in eine kleine Bezirksinspektion im Chiemgau strafversetzt. Als Begründung
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