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Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Titel: Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)
Autoren: Regina Mengel
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aufwächst.“
    Susanna lauschte angestrengt. Eigentlich musste sie dringend pinkeln, aber sie traute sich nicht.
    „Wahr..., wahrha..., wahrhaf...“, stotterte Zenani.
    Das Stottern schien zuzunehmen. „Wahrhaftig, du gibt mir mal wieder die Schu... die Schu... die Schu, ach verdammt“, fluchte sie. „Die Schuld.“
    Es polterte im Flur.
    „Jetzt geht das los“, schimpfte Gregor und seufzte. „Du solltest dich beruhigen, ich kann dein Chaos heute nicht ertragen. Komm‘ mit in die Küche. Ich koche dir einen Kaffee.“
    Ihre Schritte entfernten sich. Susanna wartete einen Augenblick, ehe sie endlich das tat, wozu sie hierher gekommen war. Erleichtert atmete sie auf.
    Ohne das Licht einzuschalten, schlich sie den Flur entlang. Verdammt , beinahe wäre sie hingefallen. Über irgendetwas war sie gestolpert. Sie bückte sich, um nachzusehen, was es gewesen war - drei einzelne Schuhe lagen vor einem Schuhregal.
    „Hatten wir gerade ein Erdbeben?“, fragte sie Patrick, als sie sein Zimmer betrat.
    „Hast du sie noch alle?“
    „Schon gut“, sie winkte ab. Besser sie erzählte ihm nicht von der Klobürste. Er hielt sie ja so schon für bescheuert.
    „Ich habe zufällig mit angehört, worüber deine Eltern gesprochen haben.“ Sie berichtete, was sie in ihrem Versteck erlauscht hatte.
    „Was meint dein Vater damit? Wo soll dein Onkel dich raushalten? Und wieso sollst du ‚normal’ aufwachsen? Für mich siehst du nicht unnormal aus.“
    „Don’t know.“ Patrick wirkte beunruhigt.
    „Meinst du, dein Vater sagt dir, was los ist, wenn du ihn fragst?“
    „Nie im Leben. Er macht ein Riesentheater um alles, was mit der Scheidung zu tun hat.“
    Susanna überlegte.
    „Es ist schon seltsam, wie sie über dich sprechen. Hast du schon mal deine Mutter gefragt?
    „ Bloß nicht, die streiten sich sowieso andauernd. Vielleicht frage ich mal Onkel Sam.“ Patrick rieb sich die Augenbraue. Er schwieg einen Moment, ehe er fortfuhr: „Von ihm bekomme ich am ehesten eine Antwort.“
    „Fragst du ihn auch, was es mit der Flasche auf sich hat?“ Sie schob ein „Bitte“ hinterher.
    „Okay – I do.“ Es klang ein bisschen großkotzig, doch Susanna war erleichtert. Immerhin bestand eine Chance, mit Patricks Hilfe herauszufinden, was eigentlich los war.
                 

5.                   Brief ohne Absender
     
    I n den Blumenkästen der Ruelle-Gasse glitzerte der Morgentau. Die Sonne schien bereits kräftig. Es versprach, ein warmer Tag zu werden. Susanna war ungewöhnlich früh unterwegs. Der Gedanke an die Truhe mit der Karaffe, die seit dem Abend ihres Geburtstags unangetastet auf der Kommode stand, hatte sie aus dem Bett getrieben. Dennoch hatte sie die Kiste ignoriert, heute sollte ein stinknormaler Tag werden.
    Sie schlenderte durch die Unterstadt, überquerte eine Kreuzung und bog in eine ruhige Straße ein. Hier standen die Häuser ein Stück zurückgesetzt inmitten gepflegter Vorgärten. Einer dieser Gärten zog Susannas Blick auf sich. Clematis rankte sich um einen hölzernen Bogen, der an ein Tor in eine andere Welt erinnerte.
    Direkt am Zaun wuchsen Rosenbüsche, rot und weiß wucherten sie auf den Gehweg hinaus. Susanna senkte die Nase in eine der Blüten und schnupperte. In diesem Moment trat eine Frau aus dem Haus. Nicht weit von Susanna entfernt blieb sie stehen und begann in ihrer Handtasche zu wühlen.
    Gerade überlegte Susanna, ob sie die wildfremde Dame grüßen sollte, als diese sich ihr zuwandte und einige Worte murmelte: „Sajadi Surafei, tekisma sadi...“, der Rest ging im Straßenlärm unter.
    „Bitte?“, fragte Susanna höflich. Diese Worte hatten wie ein Gebet oder ein Gedicht geklungen. Vielleicht irgendetwas Arabisches.
    Die Frau antwortete nicht. Stattdessen ließ sie die Tasche sinken. Auf ihrer geöffneten Handfläche hielt sie Susanna einige zerknautschte Blütenblätter entgegen.
    Noch eine Verrückte? Susannas gute Laune verflog, sie fühlte sich elend. Am liebsten wäre sie abgehauen, doch dazu kam sie nicht mehr, denn die Dame verbeugte sich vor ihr.
    „Entschuldigung“, sagte Susanna. „Warum verbeugen sie sich? Sie müssen mich verwechseln.“
    Die Frau schüttelte mit dem Kopf. Dann verneigte sie sich erneut und ging schnellen Schrittes davon.
    Verunsichert blieb Susanna zurück. Es prickelte in ihrem Rücken und das Gefühl, beobachtet zu werden, stieg in ihr auf. Sie blickte sich um, doch die Straße war leer. Irgendwie wurde die
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