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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot
Autoren: Harry Kemelman
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die Leiche so kurz nach dem Tod untersucht werden würde», sagte der Rabbi. «Und das geschah aufgrund der Bombenexplosion. Normalerweise wäre die Leiche nicht vor Montagmorgen gefunden worden. Wahrscheinlich von mir, sobald ich ins Büro kam. Das wäre sechzig Stunden später gewesen, und dann hätte kein Gerichtsarzt die Zeit so genau auf eine Stunde mehr festlegen können. Und im Übrigen hätten die Beweise in seiner Wohnung gezeigt, dass Hendryx, lange nachdem sie das Haus verlassen hatte, noch am Leben gewesen war.»
    Ames stimmte zu. «Und da sie wusste, dass wir seine Wohnung durchsuchen würden, ist sie reingegangen und hat ihr Nachthemd geholt? Höschen, Strümpfe? Aber wie hätte man daraus auf sie schließen können?»
    «Wie wäre es mit etwas Persönlicherem?»
    «Persönlicher als Höschen?», fragte Ames lächelnd.
    «Ich dachte an einen Beutel mit Strickzeug.»
    «Aber ja», rief Ames. «Ich begreife, dass sie das holen musste.»
    «Hören Sie», sagte Schroeder. «Ich bin vielleicht nur ein blöder Bulle, aber Sie haben immer noch nicht erklärt, wie sie die Gipsbüste runterholen konnte, ohne dass es zu einem Kampf kam.» Er überlegte kurze Zeit. «Auch wenn sie früher mal Turnlehrerin war.»
    Auch Ames warf dem Rabbi einen fragenden Blick zu.
    «Kehren wir wieder zum Talmud zurück», sagte der Rabbi. «Es geht wieder darum, alle Möglichkeiten zu überdenken. Eine Büste auf einem Regal kann herunterfallen, wenn es eine Erschütterung gibt – sagen wir, eine Bombenexplosion. Den Standpunkt nahm die Polizei ein, als sie damals die Studenten verhaftete. Sie kann aber auch heruntergezogen werden: Das war der Ausgangspunkt Ihres Verdachts gegen Fine – und eben erst, Sergeant – gegen die Macombers. Man kann sie aber auch vom Regal stoßen, und das ist, meiner Meinung nach, in Wirklichkeit geschehen.»
    «Stoßen?», wiederholte Ames. «Wie konnte sie gestoßen werden?»
    Der Rabbi erklärte: «Unser Bürotelefon hängt am gleichen Kabel wie der Dekanatsapparat; die Leitung führt durch ein Loch in der Wand oberhalb des obersten Regalfachs, dicht unter der Decke. Die Büste stand direkt davor. So dicht davor, dass der Monteur sie zur Seite schieben musste, um das Loch bohren zu können.»
    «Gut, es ist also ein Loch in der Wand, durch das die Leitung geht», sagte Ames unwillig. «Na und?»
    «Der Draht geht durch, aber es bleibt genügend Platz, um eine dünne, aber starke Stahlnadel durchzuschieben», sagte der Rabbi.
    «Eine dünne Stahl- … eine Stricknadel!», rief Ames.
    «Ja», sagte der Rabbi. «Ich denke mir, dass sie, als sie mich fortgehen hörte – und man kann alles hören, die beiden Büros haben nur eine einfache Trennwand –, den Schreibtisch an die Wand gerückt hat und darauf geklettert ist. Dann hat sie die Stricknadel durch das Loch geschoben und die Büste zum Kippen gebracht. Sie wusste, dass Hendryx’ Stuhl direkt darunter stand. Und das Ding ist ihm auch prompt auf den Kopf gefallen und hat ihn getötet.»
    Ames blieb lange Zeit stumm. «Und das Motiv, Rabbi?», fragte er endlich. «Haben Sie eine Theorie über das Motiv?»
    «Ich hab schon eine», sagte der Rabbi schüchtern. «Ich nehme an, sie glaubte fest, dass sie und Hendryx heiraten würden, vielleicht gleich nachdem er zum Leiter der Abteilung befördert worden wäre. Es ist kein Geheimnis, dass sie sich sehr dafür eingesetzt hat, bisher aber ohne Erfolg. Hendryx muss sich mehr davon versprochen haben, wenn sich die Tochter des Präsidenten für ihn verwendete, also nahm er sie aufs Korn, und es kam zu einer Verlobung. Am Freitagvormittag, als Präsident Macomber zu Dean Hanbury ging und ihr mitteilte, dass Hendryx endlich befördert werden würde, hat er ihr wahrscheinlich auch von der Verlobung erzählt. Er wusste ja nichts von ihrer Beziehung zu seinem zukünftigen Schwiegersohn.»
    «Eine fabelhafte Theorie, Rabbi», sagte Ames, «und sie scheint wirklich auf alles zu passen. Aber es ist Ihnen wohl klar, dass Sie nicht die Spur eines Beweises haben.»
    «Ich bin nicht mal sicher, ob sie wirklich auf alles passt», warf Schroeder ein. «Sie sagen, sie hat den Schreibtisch an die Wand geschoben?»
    «Oh, das muss sie gemacht haben», sagte der Rabbi. «Die Stühle wären alle zu niedrig.»
    Schroeder winkte ab. «Der Schreibtisch steht gute drei Fuß von der Wand entfernt, und er ist am Fußboden festgeschraubt. Sie hätte ihn nicht verrücken können.»
    Der Rabbi runzelte die Stirn. Bradford Ames
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