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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages
Autoren: Lynn Austin
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reiten.
    „Harrison, warte!“ Als er nicht stehen blieb oder langsamer wurde, sammelte sie die letzten ihr verbliebenen Kräfte und rannte ihm hinterher, bis sie das Zaumzeug des Pferdes zu fassen bekam. „Warte! … Hör zu … Wie kann ich dir jemals für das danken, was du getan hast?“
    Er schüttelte den Kopf und blickte direkt in den Wald hinein, anstatt sie anzusehen. „Ist dieses Mädchen wirklich Lizzies Tochter?“, fragte er leise.
    „Ja. Hör zu … es war mein Ernst, das mit dem Heiraten. Ich werde –“
    „Ich reite jetzt nach Hause. Meine Mutter macht sich sicher schon Sorgen.“ Das Pferd setzte sich in Bewegung.
    „Harrison!“ Er warf ihr über die Schulter einen Blick zu. „Hör auf, dich selbst zu bestrafen. Du hast dir Lizzies Vergebung verdient. Und Gott wird dir auch vergeben, wenn du ihn darum bittest.“
    „Seit wann bist du seine Sprecherin?“, fragte er verbittert. Er ließ die Zügel knallen und das Pferd trottete weiter.
    Josephine blickte ihm nach und er tat ihr leid. Ob sie Harrison heiraten würde oder nicht, sie wusste, dass sie ihm etwas schuldete. Sie schwor sich, dass sie mehr Zeit mit ihm verbringen würde. Vielleicht könnte sie ihm helfen, wieder zu Gott zu finden, so wie Alexander ihr geholfen hatte.
    Sie schleppte sich zum Haus zurück, so müde, dass sie wahrscheinlich mehrere Tage am Stück hätte schlafen können. Lizzie und Otis wollten ihr ihre Dankbarkeit zeigen, aber sie sagte ihnen, sie sollten die Kinder ins Bett bringen. „Dankt Gott, nicht mir“, sagte sie. Während sie ihnen mit den Blicken folgte, fragte sie sich, wie sie sich jemals wieder sicher fühlen sollten.
    Der Krieg war vorbei – und gleichzeitig war er es nicht. Die Yankees würden zurückkommen. Daniels Verbitterung würde wahrscheinlich noch zunehmen und ihre Mutter würde noch einen Verlust erleiden, wenn die Yankees ihn verhafteten. Würde für irgendeinen von ihnen das Leben jemals wieder so sein wie vorher? Würden Kummer und Angst jemals aufhören? Der Krieg war vielleicht zu Ende, aber die Auswirkungen waren immer noch zu spüren. „Niemand gewinnt einen Krieg“, hatte Alexander einmal zu ihr gesagt. „Wir alle verlieren auf irgendeine Art.“ Während sie die Treppe hinaufwankte, wusste Josephine, dass er recht hatte.

Kapitel 36

    29. Juli 1865

    Am nächsten Morgen war Josephine wie gerädert, aber sie stand zur gleichen Zeit auf wie sonst, weil sie befürchtete, ihre Mutter könnte zu viele Fragen stellen, wenn sie im Bett blieb. Sie zog sich schnell an und ging in die Küche hinaus, wo sie Lizzie und Otis antraf. Es hätte sie nicht gewundert, wenn die beiden von den Schrecken zu erschüttert und erschöpft gewesen wären, um irgendwelche Arbeit zu verrichten. Und es hätte sie auch nicht gewundert, wenn sie mit ihrer Familie White Oak für immer den Rücken gekehrt hätten. Aber die Küche sah so aus wie jeden Morgen, das Feuer brannte im Herd, Lizzie war fleißig bei der Arbeit und der Duft frischer Brötchen erfüllte den Raum. Roselle machte Butter, Rufus füllte die Holzkiste auf und Jack pumpte Wasser – alle morgendlichen Aufgaben wurden reibungslos erledigt.
    Jo blickte sich erstaunt in dem geschäftigen Treiben um. „Geht es euch gut? Ich war mir nicht sicher, ob ihr nach gestern Nacht überhaupt arbeiten wollt …“
    Lizzie stellte Schüssel und Löffel beiseite und kam herbeigeeilt. Zu Jos Erstaunen nahm sie Jos Hände und hielt sie in ihren. „Wir sind Ihnen etwas schuldig, Missy Jo. Wir verdanken Ihnen unser Leben, deshalb haben wir beschlossen, dass wir hierbleiben und Ihnen helfen, bis die Baumwolle gepflückt ist oder bis Sie jemand anders finden, der für Sie hier auf White Oak arbeitet.“
    „Aber … ich dachte, ihr hättet vielleicht Angst zu bleiben.“
    „Ehrlich gesagt habe ich wirklich Angst. Aber Otis sagt, für uns Schwarze ist es überall schwierig. Und er sagt, dass der liebe Gott auf uns aufpasst.“
    „Otis hat recht. Gott hat alle unsere Gebete erhört, nicht wahr?“
    „Ja, Ma’am. Sagen Sie Ihrer Mama, dass ich ihr das Frühstück raufbringe, sobald die Brötchen fertig sind.“
    Jo kehrte ins Haus zurück und ging ins Zimmer ihrer Mutter hinauf. Mary und sie hatten ihre Mahlzeiten dort zusammen mit ihrer Mutter eingenommen, weil der Arzt ihr völlige Bettruhe verordnet hatte. Aber an diesem Morgen war ihre Mutter auf, als Jo das Zimmer betrat, und zog sich an. „Hilf mir bitte, Josephine. Ich möchte unten
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