Am Abend des Mordes - Roman
sie alles richtig machte, würde er betrunken und zufrieden einschlafen. So zufrieden, wie er nur sein konnte. Solange es denn währte.
Fahr vorbei? Halte nicht am Burmavägen?
Jetzt waren es nur noch ein paar hundert Meter. Sie hob die Hand und legte den Zeigefinger auf den Halteknopf.
7
G unnar Barbarotti verbrachte den gesamten Mittwoch in seinem Büro in der zweiten Etage des Polizeipräsidiums von Kymlinge. Eva Backman steckte vor der Mittagspause den Kopf zur Tür herein und erkundigte sich, ob er Lust hatte, sie zum Restaurant Kungsgrillen zu begleiten, aber er erklärte, er habe sich eine Mahlzeit mitgebracht, und lehnte dankend ab.
Er hatte keine Mahlzeit dabei, nur ein belegtes Brot und eine Banane, aber das reichte ihm völlig. Wenn es zwei Dinge auf der Welt gab, die nicht zusammenpassten, dann waren dies Trauer und Appetit.
Doch ehe er so weit gekommen war – also zu seinem trübsinnigen Mittagessen –, arbeitete er sich in den Fall ein. Wie man so sagte, zumindest versuchte er, sich einzureden, dass er dies tat. Er hatte seinen iPod mit Fadomusik auf den Ohren, und es fiel ihm schwer, das Gefühl abzuschütteln, dass es sich bei seiner Betätigung eher um eine Beschäftigungstherapie als um etwas anderes handelte. In einer Woche oder zehn Tagen würde er garantiert zu Asunander gehen und erklären können, dass er auf nichts gestoßen war, wodurch das Rätsel, was mit Arnold Morinder geschehen war, gelöst werden konnte – und Asunander würde daraufhin nur mit den Schultern zucken und sagen, auch gut, dann musste man die Sache wohl endgültig zu den Akten legen und sich auf anderes konzentrieren.
Oder? Bei Asunander wusste man nie. Wenn er jemanden bat – ganz gleich wen –, sich ein Ermittlungsverfahren näher anzuschauen, und er selbst nur noch einen guten Monat bis zu seiner Pensionierung hatte, konnte durchaus etwas anderes dahinterstecken. Ging er etwa wirklich davon aus, dass Barbarotti etwas finden KÖNNTE ? Dass ihm das eine oder andere auffallen würde, durch das man einer Aufklärung näherkam?
Dass er den Fall sogar lösen konnte? War die Angelegenheit mit Prestige verbunden? Hatte Asunander ein persönliches Interesse an diesem Fall?
Schwer zu sagen. In der Dokumentation deutete nichts darauf hin, dass er in einem größeren Maße beteiligt gewesen war. Der Name des Ermittlungsleiters war Gunvaldsson gewesen, und dieser hatte in Kymlinge nur ein kürzeres Gastspiel gegeben. Er würde sich natürlich mit dem Kollegen in Verbindung setzen müssen, aber es erschien ihm besser, noch ein, zwei Tage zu warten, bis er sich genauer orientiert hatte.
Aber was war nun mit Asunander? Gab es irgendwelche verborgenen Haken bei dieser Geschichte? Durchaus möglich, überlegte Barbarotti. Der Kommissar war schon immer recht speziell gewesen. Außerdem gab es natürlich keinen Grund, einen schlechten Job zu machen, nur weil man zufällig das Opfer einer persönlichen Tragödie geworden war.
Als er diese Wortkonstellation dachte – persönliche Tragödie –, überkam ihn wieder die Versteinerung. Er blieb, den Blick aus dem Fenster gerichtet, sitzen. War unfähig weiterzukommen, im Denken wie im Handeln. Der Himmel draußen hing tief und unruhig, und der Wind zerrte an den erst kürzlich ausgeschlagenen Birken. Vor einem halben Jahr war er in ein anderes Büro gezogen und hatte seither eine neue Aussicht. Mehr Raum und Himmel, was gut geeignet sein sollte, die Seele zu spiegeln, aber an diesem Tag gab es keine offenen Kanäle dieser Art in ihm. Das Spiegelbild der Seele war, wie es war. Die Fadomusik wechselte von Lucilia do Carmo zu Fernando Morinho.
Werde ich jemals wieder froh sein?, dachte er. Werde ich jemals wieder voller Erwartung oder Sehnsucht sein? Und wenn ja, nach was?
Die nächste Zeit sollten Sie sich darauf konzentrieren, immer einen Tag nach dem anderen zu überstehen, hatte Rönn ihn instruiert. Der Trauertherapeut. Richten Sie den Blick nicht in die Zukunft, höchstens für ein paar Stunden. Ihr Herz blutet noch stark, aber mit der Zeit wird ein anderer Zustand kommen.
Tatsächlich, hatte Barbarotti sich gefragt, aber nichts gesagt. Und was ist das für ein Zustand? Woher wissen Sie das eigentlich so genau? Ist Ihre Frau vielleicht kürzlich gestorben? Eine Frau, die Sie über alles in der Welt geliebt haben und die Sie einsam und verlassen zurückgelassen hat, obwohl sie erst siebenundvierzig Jahre alt war? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wovon Sie da reden?
Sie
Weitere Kostenlose Bücher