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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Autoren: Joachim Fuchsberger
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wollte sich mit seiner »Tingelei« nicht abfinden. Möglicherweise war es vor allem seine Zugehörigkeit zum Kabarett »Die Elf Scharfrichter« als »Frigidius Strang«. Man stellte ihn kurzerhand vor die Entscheidung: entweder weiterhin ehrenwertes Mitglied der Anwaltskammer - oder weiter auf dem Schwabinger Abweg. Ich habe meinen Schwiegervater leider nicht mehr kennen gelernt. Er muss ein bemerkenswerter Mann gewesen sein. Gern hätte ich ihn gefragt, woran er zuerst dachte, als er sich kurz entschlossen auf den Weg zur Anwaltskammer machte, um sein Verbleiben im Reich der Paragrafen kundzutun. Fiel die Entscheidung unter dem Druck des Standesbewusstseins, fiel sie in der Vorausschau auf eine mögliche Altersversorgung? Auf jeden Fall kann ich ihn nicht nur gut verstehen, sondern bewundere ihn dafür, dass er auf der Treppe kehrtmachte und seine Entscheidung widerrief.
    »Ich bleibe lieber Lautensänger, Poet und Schriftsteller«, verkündete er den erstaunten Rechtsvertretern und ging. Für immer. Vermutlich befreit und auch stolz darauf, seinem Gefühl und nicht einem Versorgungsdenken gefolgt zu sein. Wie recht er hatte, erfuhr er später, als ihm begeisterte Studenten in
Berlin die Pferde vor seiner Kutsche ausspannten und ihn im Triumph über den Kurfürstendamm zogen.
     
    Ich bin überzeugt davon, dass schon in den frühen Jahren eines Menschenlebens die Weichen für das Alter gestellt werden. Dabei darf es weniger auf die Versorgung ankommen als viel mehr auf Zufriedenheit mit dem, was man tut - oder noch mehr - mit wem man das tut. Das ist für mich das Wichtigste. Jeder Mensch kommt in Situationen, in denen er jemanden braucht, der ihm zeigt, wo es langgeht, wenn er an die Mauer rennt. Der wichtigste Lebensabschnitt für mich war der Übergang vom »Nichts anbrennen lassen - Nur nichts auslassen« zum »Da gehör’ ich hin - da bin ich daheim und da bleib ich«.
    Wie man das schafft? Verdammt schwer. Es ist die konsequente Abkehr vom »Ich« zu einem bedingungslosen Bekenntnis zum »Wir«. Leichter gesagt als getan, ich weiß, aber wenn man es geschafft hat, merkt man, wie viel leichter das Leben wird, wenn man Freud und Leid mit einem Partner teilen kann. Freude wird verdoppelt, Leid halbiert.
    »Mit vollen Hosen kann man gut stinken« - ein wenig feiner Spruch, aber er stimmt. Heute, nach sechsundfünfzig Jahren Ehe, wissen meine Frau und ich, wovon wir reden.

    An unserem Hochzeitstag im Jahr 1954 habe ich meiner vierundzwanzig Jahre alten Braut den Brocken zu verdauen gegeben: »Ich glaube, ich kann gut verdienen und ein Leben lang für dich sorgen, und sollten wir Kinder haben, auch für die! Sollten wir aber irgendwann mal kein Geld mehr haben, ist es deine Schuld!«
    Gundula hat das nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern von Anfang an dafür gesorgt, dass nichts verplempert wurde. Mit strenger Hand hielt sie die Finanzen zusammen und achtete darauf, dass jede Investition wertbeständig war. Wir waren da nicht immer einig, aber sie hatte immer recht. Gelernt hatte sie das bei ihrem Vater, der, wie sie mir nicht gerade schmeichelhaft sagte, ein ähnlicher Schlamper gewesen sei wie ich. Akkuratesse und Eifer erschöpften sich meinerseits im Beruf. Aber auch als Dompteuse zeigte Gundula beachtliches Talent. Schon zu Beginn unserer Ehe wurde klar, dass sie im Begriff war, mich zum gefügigen Untertan zu machen und zu dem zu werden, was ich sie seit Jahren nenne »Meine Regierung«! Sie wurde zur einzigen Obrigkeit, die ich akzeptiere, weil ich weiß: Was sie tut, tut sie zu meinem Besten, auch wenn ich manchmal nicht sofort begreife, was das Beste für mich ist. Vom Augenblick an, als ich verstanden hatte, Frauen
sind intuitiver als Männer, ging es mir schlagartig besser. Ich überließ ihr Entscheidungen, die mich belasteten. Bei meinen großen Sendungen in der ARD durften nur sie und mein Berater, Eckhard Schmidt, mich kurz vor dem Auftritt noch ansprechen. Wir fanden die Formel für unser Zusammenleben bis heute: Gundel entschied alle kleinen Probleme, also wie viel ich verdienen musste, wer das Geld verwaltete, wie unser Sohn erzogen wird, wo und wie wir wohnen würden etc. Ich war dafür zuständig, ob China in die Vereinten Nationen kommt, die Bundesrepublik wiederbewaffnet und wer Kanzler wird. Zum Beispiel.
    Sobald ich diese Spielregeln begriffen hatte, ging es mir bemerkenswert gut bis ins hohe Alter, egal, was immer mir auch wehtat und -tut. Und langsam ist das eine ganze Menge. Wir alle
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