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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Autoren: Joachim Fuchsberger
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klagen ja ganz gern, wenn auch auf hohem Niveau. Aber wenn man seiner Umgebung ständig alle Wehwehchen unter die Nase hält, steht man mit seinen Hühneraugen, eingewachsenen Zehennägeln, Bauchgrimmen, Blutdruck, Herzflimmern und was das Alter sonst noch so zu bieten hat, bald auf wackeligen Beinen allein da. Also reißen wir Alten uns besser zusammen und behalten die diversen Zipperlein für uns. Allerdings können wir uns mit allen Sorgen nachfolgenden Berufsgruppen jederzeit
und hemmungslos anvertrauen: Friseurinnen, Physiotherapeutinnen, Kosmetikerinnen, Ärztinnen, Taxifahrerinnen, Briefträgerinnen. Das ist natürlich die Auswahl für Männer. Das Gleiche gilt aber uneingeschränkt ebenso für die männlichen Vertreter dieser Berufsgruppen. Sie alle beweisen sich im Ernstfall als geeignete Seelenmülleimer.
    Fassen wir also zusammen: Wichtig für ein harmonisches Zusammenleben bis ins Alter sind zwei grundsätzliche Erkenntnisse.
    Erstens: Partner sollen zwar ineinander aufgehen, sozusagen eins werden, keinesfalls aber des anderen Eigentum werden.
    Zweitens: Die blödsinnige Aufteilung von Aufgaben nach dem Geschlecht. Die Frau ist zuständig für die drei großen »K« - Kinder, Küche, Kirche.
    Der Mann geht hinaus ins feindliche oder freundliche Leben, wo er mehr sich selbst, nebenher aber auch die Familie unterhält. Oder?
    Bei uns stellte sich eben heraus, dass meine Frau ein ausgesprochen organisatorisches Talent ist und mit meinem verdienten Geld besser umgehen konnte als ich selbst. Mit Messer und Gabel wusste sie eben so trefflich umzugehen, aber mit der Herstellung dessen, was man mit den Essgeräten zu sich nimmt, war es weniger gut bestellt. Da lagen die Fähigkeiten nun
mal mehr bei mir. Also kümmerte sie sich ab sofort um die Finanzen, während ich mit Pfanne und Töpfen für unser leibliches Wohl sorgte. Das ist bis heute so. Allerdings gebe ich zu, dass sie sich im viel zu schnell vergangenen letzten Halbjahrhundert meine Kochkünste bis zur Perfektion angeeignet hat, während ich nach wie vor große Schwierigkeiten habe, einen Bankauszug richtig zu lesen. Alle Konten kennt Gundula auswendig, während ich keine Ahnung habe, ob oder wie viel da überhaupt drauf ist. Gerne lässt sie sich von mir zu unserer Bank fahren. Aus Parkschwierigkeitsgründen bleibe ich vor der Bank im Wagen sitzen und warte geduldig auf die Hand voll Bonbons, die sie mir mit einem Gruß der Schalterbeamtin aushändigt. Von den getätigten Transaktionen teilt sie mir netterweise, unter Vermeidung aller Details, noch mit: »Alles o.k.!«
    Damit weiß ich dann, dass wir trotz der durch Transaktionen vieler Banken und Banker hereingebrochenen Krise derzeit noch eine halbwegs gesicherte Zukunft haben. Trotz großer finanzieller Schwierigkeiten aller Film- und Fernsehproduzenten, die mit neuen Produktionen von den Sendeanstalten mit der Begründung kurzgehalten oder lahmgelegt werden: »Wir haben kein Geld!«
    So habe ich derzeit kein Einkommen aus diesbezüglicher
Tätigkeit, bin also eigentlich arbeitslos und mache mir Gedanken. Zum Beispiel über die Frage: »Wo bleiben die Milliarden Euro aus den Zwangsgebühren der Fernsehzuschauer?«
    Nach jedem Bankbesuch, den Bonbons der Beraterin und Gundels Kurzkommentar »Alles o.k.!« habe ich allen Grund, in ihre großen blauen Augen zu schauen und ihr für die Finanzgestaltung unseres ganzen Lebens bis ins hohe Alter zu danken.
    Mir ist schon klar, dass da eine Zeit war, in der ich für die selbst gewählte Abhängigkeit von meiner Ehefrau belächelt, ja bemitleidet wurde. Kategorie Pantoffelheld. Damit hatte ich kein Problem. Heute werde ich von den gleichen Leuten, so sie noch leben, beneidet.
     
    Apropos noch leben. Als wir 1954 heirateten, brach im engeren Kreis um uns herum eine Art Hochzeitsepidemie aus. Kaum ein Paar ist noch zusammen. Einige hat das Schicksal getrennt, durch Krankheit und Tod. Andere haben die Anstrengungen nicht geschafft, aus einem leidenschaftlichen Übereinanderherfallen eine dauerhafte und verständnisvolle Partnerschaft zu formen. Viele sind sich einfach nur auf die Nerven gefallen oder haben sich schlicht und einfach miteinander zu Tode gelangweilt. Wenn wir
aushäusig unterwegs sind, ist es für uns alte Ehehaudegen fast zu einem Sport geworden, Paare zu beobachten, die sich gegenübersitzen und kein Wort miteinander reden, sich einfach nur anöden. Im Restaurant zum Beispiel. Beim Frühstück, Mittag-oder Abendessen: Sie sitzen da und
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