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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin
Autoren: Mary Mackey
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selbst die Göttin Erde in ihrer unendlichen Gnade noch lange, lange Zeit warten würde, bevor sie Changars Seele in einen neuen Körper zurückrief. Laß ihn als Made wiederauferstehen, betete Marrah, oder als eine Laus. Andererseits waren auch Maden und Läuse Kinder der Göttin, was ihre Körper noch viel zu gut für jemanden wie Changar machte.
    Sie versuchte gerade ein zweites Mal, wieder einzuschlafen, als ganz plötzlich ein Geräusch erklang, das sie vor Angst erstarren ließ. Irgendwo in der Ferne bellte ein Hund und verstummte dann wieder. Das Bellen kam in schneller Folge, wie Eis, das in der eisigen Morgenluft klirrend zerbrach, und Stavan mußte es ebenfalls gehört haben. Er wachte augenblicklich auf und fuhr mit einem Ruck hoch, während er hastig nach seinem Dolch griff. Marrah setzte sich ebenfalls auf, und sie starrten einander alarmiert an, als das Gebell erneut ertönte.
    »Vielleicht ist es ein Wolf«, flüsterte sie, aber es war die falsche Tageszeit für einen Wolf auf der Jagd, und sie wußten es beide.
    »Das ist kein Wolf! « rief Stavan entsetzt. »Das ist ein Hund! « Er packte die Umhänge, die Hiknak, Dalish und Arang als Decke dienten, und riß sie fort. »Schnell! « schrie er. »Steht auf! Marrah und ich können die Hansi-Hunde hören. Sie müssen unsere Witterung aufgenommen haben! «
    Mehr brauchte er nicht zu sagen. Alle fünf waren im Nu auf den Beinen und krochen so hastig aus der Höhle, daß sie dabei einen Teil der Wände zum Einsturz brachten. Die Welt draußen war in weiße Schleier wirbelnden Schnees gehüllt. Stavan nahm den Pferden in aller Eile die Fußfesseln ab, und Marrah und die anderen sprangen auf den Rücken ihrer Tiere, trieben sie zum Galopp an und begaben sich in halsbrecherischem Tempo auf die Flucht. Aber wohin sollte man reiten in einem Land, wo es keine Bäume gab, um Schutz dahinter zu suchen, keine Wälder, um darin unterzutauchen, nicht einmal eine richtige Höhle, wo sie die Pferde hätten verstecken können?
    Marrah ritt, bis ihr der Atem in den Lungen schmerzte, bis ihr jeder Knochen im Leib weh tat, bis sie das Gefühl hatte, zu Tode durchgeschüttelt zu sein. Niemals hatte sie auf einem Pferd gesessen, bis sie herangewachsen war – hatte bis dahin nicht einmal eines gesehen – aber als die Nomaden sie entführt und in den Osten verschleppt hatten, hatte sie gelernt, das Gefühl des Reitens zu genießen und ihr Pferd zu lieben, auch wenn es sie weit, weit forttrug von ihrem eigenen Volk.
    Pferde besaßen ihrer Erfahrung nach einen besseren Charakter als die meisten Menschen, und ganz sicher waren sie besser als die Nomaden, die sie gezähmt hatten. Sie waren edle Geschöpfe, geduldig, willig und liebenswert; sie konnten nichts dafür, daß sie von den Nomaden zum Einfangen flüchtiger Gefangener benutzt wurden. Doch an diesem Morgen brachte der wilde Ritt über die Steppe all die Ängste zurück, die Marrah beim ersten Besteigen eines Pferdes erfüllt hatten.
    Sie war die unerfahrenste Reiterin der kleinen Gruppe und nicht immer in der Lage, sich an der Mähne ihrer Stute festzuklammern, während sie von einer Seite zur anderen geworfen wurde und gelegentlich sogar herunterzufallen drohte. Oft fiel sie ein Stück hinter die anderen zurück, und wenn dies geschah, drosselten die anderen ihr Tempo und warteten auf sie. Marrah hätte ihnen am liebsten zugerufen, sie sollten weiterreiten und wenigstens sich selbst retten, aber ihre Gefährten würden sie unter gar keinen Umständen im Stich lassen.
    Wenn sie vom Pferd stürzen und sich ein Bein brechen sollte, würden die anderen sie aufheben und sie tragen, was fraglos ihrer aller Tod bedeutete; deshalb klammerte sie sich mit wilder Entschlossenheit an den Hals ihrer Stute, von dem Trost beseelt, daß es zumindest ununterbrochen schneite. Wenn der Schneefall aufhörte, hätten sie keine Chance mehr, denn bei klarem Wetter konnte man in der Steppe von Horizont zu Horizont blicken.
    »Bitte laß nicht zu, daß die Krieger uns einholen«, betete sie leise. »Bitte laß das Wetter nicht aufklaren!« Aber ihre Worte wurden abgeschnitten, vom Wind davongetragen und vom Trommeln der Pferdehufe übertönt, als sie sich in den Schnee bohrten und auf die gefrorene Erde darunter trafen.
    Marrah hätte nicht zu sagen vermocht, wie lange der erste verzweifelte Ritt quer durch die Steppe dauerte. Es schien, als rasten sie den größten Teil des Tages so dahin; aber das konnte nicht sein, weil die Pferde tot unter
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