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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin
Autoren: Mary Mackey
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Da wäre als erstes Marrah, die Hexe, aber vielleicht wollte ja auch keiner der Männer sie haben, weil eine Hexe – so hieß es – die Macht hatte, den Penis eines Mannes auf die Größe eines vertrockneten Ziegenköttels schrumpfen zu lassen und ihn zu Impotenz zu verdammen. Außerdem war sie einmal die Ehefrau des Häuptlings gewesen – zwar nur eine zweite Angetraute, eine Schlampe, die Vlahan Hörner aufgesetzt hatte und es verdiente, dafür zu sterben –aber man wußte ja nie, wie Vlahan reagieren würde, wenn man ihr Gewalt antat. Zum Glück waren die beiden anderen Frauen lediglich Konkubinen, die für ihren Verrat mit dem Tode büßten. Die Krieger teilten jedoch einhellig die Meinung, daß es keinen Sinn hatte, die Konkubinen voreilig aus dem Weg zu räumen.
    Doch obwohl sich die neun Krieger mit der tödlichen Präzision eines Wolfsrudels bewegten, waren sie neun verschiedene Männer mit unterschiedlichen Sichtweisen der Welt. Nur sechs der Fährtensucher fühlten sich Vlahan wirklich zu Treue verpflichtet; während sie sich innerlich mit der Vorfreude auf Notzucht und Plünderung wärmten, hegten drei ihrer Gefährten andere Gedanken, gefährliche Gedanken, die zu ihrer Hinrichtung führen würden, wenn Mukhan davon erführe.
    Heute nacht, als sie über die riesige vereiste Fläche der Steppe dahintrabten, ritten Zweifel mit ihnen – und der Wind, der in den Ohren der anderen nur heulte, flüsterte ihnen zu wie die Stimme einer schönen Frau, die einen Mann mit verführerischen Worten in ihr Zelt lockt.
Ehre,
flüsterte der Wind.
Rebellion.
In der Stimme des Windes klang etwas Wildes und Süßes mit, etwas so Verlockendes, daß es einen Mann regelrecht um den Verstand bringen konnte; doch so sehr sich die drei Krieger auch bemühten, ihre Ohren davor zu verschließen, es gelang ihnen nicht.
    Der sprechende Wind hatte zu säuseln und aufzuwiegeln begonnen an dem Morgen, als ihr alter Häuptling Zuhan auf mysteriöse Weise gestorben war und sein Bastardsohn, Vlahan, plötzlich die Macht an sich gerissen hatte. Seit mehreren Tagen wehte der Wind nun schon, so unablässig, daß sie ihn selbst im Schlaf noch hörten. Es war die Art von Wind, die in einem Mann die Sehnsucht weckte, sein Pferd zum Galopp anzutreiben und zu fliehen; aber nur ein Dummkopf würde versuchen, vor dem Wind davonzulaufen; deshalb ließen die drei Krieger ihre Pferde langsam neben den anderen hertrotten und starrten mit ausdruckslosen Gesichtern in das Schneegestöber.
    Als Mukhan ihnen einen Blick über seine Schulter zuwarf, sah er nichts, was seinen Verdacht erregt hätte. Die drei Männer machten einen ebenso gehorsamen und ergebenen Eindruck wie der Rest: Sie sahen alle gleich durchgefroren, müde und erpicht darauf aus, endlich ihre Beute zu finden.
    Aber im Inneren, in den geheimen Winkeln ihres Verstandes, in die Mukhan nicht vordringen konnte, hatten alle drei Pläne zu schmieden begonnen. Dakhan, ein großer, stämmiger Krieger mit einer Nase wie ein Stück rohen Fleisches, dachte daran, die Spuren der Flüchtenden zu verwischen, bevor die anderen sie entdeckten. Karthan, der für die Hunde verantwortlich war, überlegte sich, mit welcher Verletzung er die Leithündin zum Hinken brächte, bevor der nächste Morgen graute. Der dritte, ein junger Krieger namens Werthan, der noch kaum Bartwuchs aufzuweisen hatte, erging sich in kühnen Phantasien darüber, wie er vorausgaloppierte, um den Flüchtenden eine Warnung zuzurufen, obwohl dies ganz ohne Frage dazu führen würde, daß er mit einem Pfeil im Rücken tot vom Pferd stürzte.
    Werthan hatte keine Ahnung, daß der Wind auch seinen beiden Gefährten Widerstand zuflüsterte. Aber er wußte ebensogut wie sie, daß Stavan, der legitime Sohn von Zuhan, der einzige rechtmäßige Erbe der Häuptlingswürde war, und daß dieses Amt nicht Vlahan gebührte, der höchstwahrscheinlich seinen eigenen Vater vergiftet hatte. Folglich verlangte es die Ehre, daß Stavan – und nicht Vlahan – über die Hansi herrschte.
    Für die beiden älteren Männer war das Gebot der Ehre Grund genug, um Stavans Gefangennahme zu verhindern; aber Werthan bewegte noch ein zusätzliches Anliegen, weshalb die Flüchtenden ungeschoren entkommen sollten: Er liebte Stavan wie einen älteren Bruder. Werthan war kein wichtiges Mitglied des Stammes, nur der jüngste Sohn einer geraubten Konkubine, und früher, als er sogar noch unbedeutender gewesen war – nur ein Junge, der die Schafe hütete –, war
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