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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde
Autoren: Mary Mackey
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böse an.
    Timak zuckte nur die Achseln. »Wie ihr wollt. Draußen warten bewaffnete Wachen, die euch mit Freuden ausziehen und ankleiden werden, wenn ihr euch gegen uns wehrt.« Da offensichtlich war, daß sie die Wahrheit sagte, gab Marrah schließlich nach. Während Hiknak und eine der jüngeren Frauen sie auszogen und zu waschen begannen, stand Marrah in eisigem Schweigen da und warf Timak böse Blicke zu. Timak würde sie nicht anfassen. Das war der Preis für ihre Bereitschaft stillzuhalten. Dalish ließ die Prozedur des Ausziehens und Waschens ebenfalls schweigend über sich ergehen, doch Akoah schrie und zappelte so heftig, daß sich zwei der Frauen auf sie setzen und sie zu Boden drücken mußten.
    Eine Weile herrschte großer Aufruhr, während sie Akoah gewaltsam ihrer alten Kleidung entledigten und in die neue zwängten, und in jenem kurzen Augenblick unternahm Marrah einen letzten Versuch, ihrer aller Leben zu retten. Hiknak hatte nicht einmal auch nur in ihr Gesicht geblickt, und soweit Marrah wußte, hatte sie sich mit Timak gegen sie verbündet, aber sie erinnerte sich, wie sehr die kleine Konkubine Vlahan haßte, und das brachte sie auf eine Idee. Sie griff nach ihrem Gürtel, riß den Lederbeutel ab, der das Pulver der Unsichtbarkeit enthielt, und drückte ihn so schnell in Hiknaks Hand, daß noch nicht einmal Dalish bemerkte, was sie tat.
    »Schütte dies hier in den Kersek der Krieger«, flüsterte sie.
    Sie hatte keine Zeit für Erklärungen, keine Zeit, um sich zu vergewissern, daß Hiknak verstanden hatte. Denn plötzlich hörte Akoah auf zu schreien, und Timak erhob sich auf die Füße. Sie warf Hiknak einen argwöhnischen Blick zu. »Wieso brauchst du so lange? Sieh zu, daß du die Schlampe ankleidest, sonst verpassen wir den Beginn der Zeremonie.«
    »Ja, Herrin.« Hiknak kniete zu Marrahs Füßen und begann, ihre weißen Lederstiefel zuzuschnüren. Sie wechselten nicht ein Wort oder einen Blick der Bestätigung. Ein einziges Mal fing Marrah Hiknaks Blick auf, aber Hiknak sah sie nur ausdruckslos an, als hätte sie sie noch nie zuvor gesehen. Das Päckchen war nirgendwo in Sicht, deshalb hatte sie es vermutlich in ihrem Gewand versteckt, aber es war unmöglich zu wissen, ob Hiknak auch nur die geringste Absicht hatte, das zu tun, worum Marrah sie gebeten hatte. Warum sollte sie auch? Sie war nicht in Gefahr, stranguliert zu werden, und nachdem Vlahan jetzt in allem, außer dem Namen nach, der Große Häuptling war, würden sich ihre Lebensumstände vielleicht verbessern.
    Bitter enttäuscht ließ Marrah sich weiter von Hiknak ankleiden. Es war eine dumme Idee gewesen. Sie konnte von Glück reden, daß Hiknak nicht Alarm geschlagen hatte. Andererseits hätte es wirclich keinen Unterschied gemacht. Ihr Tod stand unmittelbar bevor. Selbst Timak konnte ihr jetzt nicht mehr viel antun.
    Als die drei »Bräute« gewaschen und angezogen waren, hoben die Frauen ihre alten Kleider auf und warfen sie in die Feuergrube. Das Feuer war längst erloschen, aber ohne Zweifel würden sie später zurückkommen und die Kleider verbrennen. Dann sammelten sie die leeren Eimer und Körbe ein und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Selbst Timak nahm sich nicht mehr die Zeit, hämische Freude zu bekunden. Sie kehrte Marrah und ihren Leidensgenossinnen einfach den Rücken zu, als wären die drei bereits tot.
    Sobald sich die Zeltklappe geschlossen hatte, kniete Marrah nieder, zog ihren alten Gürtel aus der Feuergrube und schlang ihn um ihre Taille. Es war der einzige Gegenstand, der sie den ganzen weiten Weg von Shara bis hierher begleitet hatte, und sie wollte in diesem Gürtel sterben. Sie zog die Schnüre ihrer Gürteltasche auf, nahm die Träne des Mitgefühls heraus und band sie sich um den Hals, wo sie hingehörte. Der Schmetterling sah blaß in dem matten Licht aus, doch der Stein schimmerte so golden wie immer.
    »Ist das ein Talisman?« rief Akoah.
    » Ja «, erwiderte Marrah, »aber er wird uns nicht –«
    Ihr blieb keine Zeit mehr, um Akoah zu erklären, daß sie der Glücksbringer nicht retten würde, weil genau in diesem Moment die bewaffneten Wachen ins Zelt traten, um ihnen zu sagen, sie sollten sich auf den Tod vorbereiten. Sie waren zu siebt, alles junge Krieger, die trotz der Kälte bis zur Taille entblößt waren, und als Akoah die aufgemalten Totenschädel auf ihrer Brust sah und die schwarzen Speere in ihren Händen, wurde sie wahnsinnig vor Angst. Sie ließ sich auf die Knie
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