Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Altern Wie Ein Gentleman

Titel: Altern Wie Ein Gentleman
Autoren: Sven Kuntze
Vom Netzwerk:
Jahrhundert – gewichtig und mannigfaltig nicht lange auf sich warten ließen und erneut Leben in das Thema brachten. Ihre Lektüre bezeugt, dass sich die meisten Autoren bewusst oder unbewusst immer noch an jenem sperrigen Brocken abarbeiten, den die streitbare Französin, geschult an der eigenen Vergänglichkeit, ihnen einst hinterlassen hatte.
    Selbstredend kommen sie, von Einzelheiten abgesehen, zu entgegengesetzten Ergebnissen. Es geht ihnen wie den Autoren von Reiseführern, die kein vernünftiger Mensch kaufen würde, wenn die Autoren vom Besuch der geschilderten Landschaft abraten würden. Deswegen werden auch karge Regionen in attraktiven Farben dargestellt, denn Attribute finden sich immer. Um das reizlose Thema des Alterns zu verkaufen, werden dessen unangenehme Seiten folglich mit breitem Pinselstrich und beschwichtigenden Adjektiven verdeckt.
    In den Ratgebern findet sich häufig und leicht dahingesagt die Vorstellung, das Alter sei auch eine »Chance«, wobei unerfindlich bleibt, wofür. Wenn von solcher Chance die Rede ist, sollte man misstrauisch werden. Denn häufig verbirgt sich hinter dem unverbindlichen Versprechen die Einsicht, dass die Sache aussichtslos ist und durchgestanden sein will.
    Eine Realitätsverdrängung, die Norberto Bobbio wütend kritisiert: »Ich brauche nicht zu sagen, dass ich diese Rechtfertigungsschriften widerlich finde. Noch ärgerlicher werden sie mir, seitdem das Alter zu einem großen und ungelösten, ja kaum lösbaren sozialen Problem geworden ist.«
    Gleichzeitig entsteht eine neue Sorte Kleinstdarsteller zum Thema. Gutbetuchte, hochbetagte Mitbürger preisen sprachgewandt und gegen gutes Geld in Fernsehsendungen die Segnungen des Alterns. Nähme man sie ernst und beim Wort, dann begänne das wahre Leben erst jenseits der fünfundsechzig, während die ersten Jahrzehnte ein langer, trüber Anlauf waren hin zur eigentlichen Existenz.
    So reden Menschen mit vollem Beutel und eiserner Gesundheit. Wer das Alter preist, hat ihm noch nicht ins Gesicht gesehen. Mit der Gegenwart des Durchschnittsrentners hat dies nichts zu tun. Es soll vermutlich die mürrischen Alten, wenn nicht bei Laune, so doch wenigstens ruhig halten.
    Wozu nun diese neuerliche Bemühung, trotz einer unübersehbaren Anzahl von Veröffentlichungen, die selbst in kleineren Buchläden zu eigenen Abteilungen geführt haben?
    Die Frage beantwortet sich über die Adressaten des Buches. Es sind diejenigen etwa acht Millionen Bundesrepublikaner, die zwischen 1940 und 1955 geboren wurden und seit Kurzem in Rente sind oder in absehbarer Zeit aus dem Arbeitsprozess ausscheiden. Sie werden im Weiteren die »Vierziger« genannt. Sie sehen sich gesellschaftlichen Vorgaben, Entscheidungen und Zukunftsaussichten gegenüber, wie es sie in dieser Weise vorher nie gab und vermutlich nicht mehr geben wird. Zukünftige Rentnergenerationen werden unter ganz anderen Umständen ihren Lebensabend antreten müssen. Würden sie dieses Buch durchblättern, kämeihnen das Rentnerleben meiner Generation vermutlich wie die Geschichte vom verlorenen Schlaraffenland vor.
    Dies ist kein Ratgeber und möchte es auch nicht sein. Die gibt es in großer Zahl, und sie werden wöchentlich mehr. Recht besehen, geben sie alle den gleichen Rat: täglich zwei Gläser Rotwein, Hände weg von Zigaretten, gesunde Ernährung, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, soziale Nähe, häufigen Sport und Lebenssinn, wo immer man ihn kriegen kann. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass die Vergangenheit meiner Generation ihr vor allem eine Reihe von Pflichten auch im Rentenalter auferlegt hat. Von denen handelt neben anderem dieses Buch.
    Mit Arbeitsende beginnt für die »Vierziger« ein Leben, das sichtiefgreifend von dem vergangener Rentnergenerationen unterscheiden wird. Es teilt sich in zwei Phasen: die des »Voralters«, das bis Ende siebzig dauert, und das anschließende »klassische Greisenalter«, das sich lange hinziehen kann und sich überdies statistisch jedes Jahr um weitere drei Monate verlängert. An diejenigen, die in die historisch neue und unerhörte Phase des »Voralters« eintreten, wende ich mich.
    Woher aber weiß ich, was ich zu wissen vorgebe?
    Ich bin selbst im Alter. Ich habe zahlreiche Gespräche geführt und ebenso viele Bücher und Artikel gelesen, deren Autoren ich viele Anregungen und manche Einsicht verdanke. Sie werden im Folgenden nicht im Einzelnen zitiert, denn dies ist keine wissenschaftliche Arbeit, sondern eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher